Homeschooling, geschlossene Kitas, gesperrte Spielplätze, keine Vereins- und Freizeitangebote mehr am Nachmittag, keine Treffen mit Freunden: Die aktuelle Lage ist für Kinder und deren Eltern nicht einfach. Der Bergwinkel-Wochenbote hat sich bei drei Familien umgehört. Zuerst fühlte es sich ein bisschen an wie Ferien, als Mitte März die Schulen wegen der Corona-Pandemie flächendeckend schlossen. Das änderte sich allerdings, als kurz darauf die ersten Arbeitsaufträge per E-Mail eintrudelten. Seitdem verbringt Lucie jeden Tag mehrere Stunden über ihren Büchern und Heften. „Ich kann so lange schlafen, bis ich von alleine aufwache, und dann mache ich zuerst meine Schulaufgaben“, erläutert die Zwölfjährige aus Herolz, die die sechste Klasse der Stadtschule besucht. „Cool ist, dass ich, wenn ich eine Pause brauche, im Hof Trampolin springen kann, bis mein Kopf durchgelüftet ist. Danach geht’s mit dem Lernen weiter.“
Wenn sie ein Problem hat, helfen ihr die Eltern weiter. Zudem besteht die Möglichkeit, die Klassenlehrerin und die Fachlehrer zu kontaktieren. Nichtsdestotrotz würde sie gerne wieder zum Unterricht gehen: „Man vermisst echt die ganze Klasse, sogar die Lehrer – auch die, die man sonst nicht so gerne mag“, so ihr Fazit nach sechs Wochen. Dass jetzt zunächst nur die Älteren in die Schule zurückkehren dürfen, findet sie okay. Auch für die strengen Hygieneregeln hat sie Verständnis. „Man könnte sie einfach noch schneller umsetzen – dann könnten wir auch schon früher in die Schule gehen.
Nachmittags ist Lucie viel draußen. „Das geht gut, weil ich ja in einem Dorf lebe und wir einen großen Garten haben. Außerdem haben wir einen Hund, und der muss ja auch raus und Gassi gehen.“ Regelmäßig ist sie bei ihrem Vater in Frankfurt: „So nervt mich auch nicht das ständige An-einem-Platz-sein-müssen. Dort bin ich meistens mit dem Scooter unterwegs, da gibt es tolle Orte zum Fahren und Tricks ausprobieren.“ Allerdings auch hier ohne ihre Freunde. Die vermisst sie besonders. „Außerdem finde ich es richtig doof, dass ich nicht zum Turnen nach Steinau gehen kann, da war ich zwei-, dreimal die Woche. Das fehlt schon sehr.“ Ihr Tipp gegen Langeweile: „Oft rausgehen und relaxt bleiben!“
Mutter Romana Falk (40) ist mit dem Homeschooling im Großen und Ganzen zufrieden. Damit ihre Tochter nicht über Wochen tagsüber alleine zu Hause sein muss, hat die Erzieherin teilweise Urlaub genommen. Dem aktuellen Ausnahmezustand kann sie auch positive Seiten abgewinnen: „Wir machen weniger Autofahrten und verbrauchen weniger Benzin, wir verbringen mehr Zeit als Familie zusammen. Und wir haben Hauswirtschaftslehre als Unterrichtsfach zu Hause eingeführt: kochen, bügeln, Wäsche waschen, saugen, Fenster putzen – jetzt glänzt alles!“ Ein gemeinsames Projekt hat sich auch Familie Philippi aus Schlüchtern vorgenommen: Sie sanieren derzeit den Anbau ihres Hauses – Lars (12), Mika (9) und Helena (5) helfen kräftig mit. Für die Jungs beginnt der Tag gegen 9 Uhr zunächst am Schreibtisch: Teilweise bis in den Nachmittag hinein erledigen sie ihre Hausaufgaben. Gymnasiast Lars würde lieber wieder zum Unterricht gehen und dafür auch strenge Vorschriften in Kauf nehmen. „Alleine lernen ist nicht so cool“, findet der Sechstklässler. Auch sich selbst zu organisierenund zu motivieren, fällt ihm nicht leicht
Bruder Mika hingegen findet das Homeschooling super: „Wenn ich nachmittags noch Freunde treffen könnte, dann wäre es perfekt“, so der Drittklässler. Denn ihre Freunde und Freizeitaktivitäten – Lars spielt Fußball, Mika macht Leichtathletik, beide sind Mitglied im Wanderverein „Die Spechte“ – vermissen sie sehr. Gegen Langeweile und Lagerkoller empfehlen sie „wandern, Videospiele und Geschwister“. Was ihnen positiv aufgefallen ist: „Man hat jetzt zwischen den Hobbys mehr Zeit.“ Und die verbringen sie nun häufiger zusammen – mit Spielen, Trampolinspringen, beim Bauen an der Kinzig oder mit den Meerschweinchen Jamie und Piko, denen das Trio einen Riesenauslauf errichtet hat und die sich über jede Menge Extra-Knuddeleinheiten freuen dürfen. Natürlich kracht es hin und wieder auch heftig. Die Kontaktsperre nehmen die Kinder von sich aus sehr ernst, Lars verfolgt das Geschehen rund um die Corona-Pandemie täglich in den Medien.
Am entspanntesten geht Nesthäkchen Helena mit der Situation um. Jeden Tag steht sie in ihrer Matschküche im Garten. „Ich koche Suppe und mache Eis und Schokolade“, erzählt die Fünfjährige stolz. „Sie sagt aber auch jeden Tag, dass sie den Kindergarten vermisst“, fügt Mutter Stephanie (41) hinzu, die nachvollziehen kann, warum die Kitas weiterhin geschlossen bleiben. Eigentlich wollte die freiberufliche Fotografin in diesem Jahr durchstarten, hat im Januar ein Gewerbe angemeldet, doch die aktuellen Entwicklungen haben sie ausgebremst. „Das hatte ich mir alles anders vorgestellt.“ Ihr Mann Michael ist im Familien-Dachdeckerbetrieb eingespannt und hat gut zu tun.
Näher zusammengerückt sind auch Oskar (7) und Greta (4) aus Wallroth. Seit sie ihre Freunde nicht mehr treffen können, beschäftigen sie sich vor allem miteinander: „Ich finde es blöd, dass man gerade nicht mit seinen Freunden spielen kann. Zum Glück habe ich eine Schwester, und das macht dann auch Spaß“, sagt der Erstklässler. Auch seine Schwester freut sich, nicht alleine zu sein, und findet es doof, „dass Corona nicht schon vorbei ist“. Die Zwei haben einen Weg gefunden, ihre Freunde doch regelmäßig zu sehen: „Also ich skype“, erzählt Oskar. „Ja, auf dem Tablet telefonieren“, ergänzt Greta.
Mit dem Unterricht zu Hause kommt der Siebenjährige gut klar, gibt aber zu: „Manchmal sind es auch richtig schwierige Aufgaben. Das ist dann nicht so schön.“ Auch seine Klassenlehrerin fehlt ihm zwischendurch. Und natürlich die Schule, „weil man da immer was lernen und seine Freunde sehen kann“. Dem vielleicht bald anstehenden Unterrichtsneustart sind er mit gemischten Gefühlen entgegen: „Ich finde es ein bisschen komisch, denn ich habe mich daran gewöhnt, dass man immer mit der Familie zusammensitzt.“ Eine Schutzmaske in der Klasse oder Pause zu tragen, kann er sich nicht vorstellen.
Nach dem Frühstück und Mittagessen sind die Geschwister häufig an der frischen Luft. „Wenn ich aufgestanden bin und mein Müsli gegessen habe, dann ziehe ich mich an und hüpfe Trampolin“, berichtet Greta. Um Langeweile gar nicht erst aufkommen zu lassen, hat die Vierjährige einige Ideen: „Kuscheln, rausgehen und nach Corona: rutschen und mit meinen Freunden spielen.“ Und ihr Bruder verrät: „Greta und ich spielen drinnen manchmal campen. Wir haben ein Zelt aufgebaut, und da sind auch Schlafsäcke drin. Und wenn ich darauf gerade mal keine Lust habe, dann baue ich ein bisschen Lego.“
Ihre Eltern arbeiten teilweise im Home Office und wechseln sich mit der Betreuung ab. Mutter Christina (41) schätzt es, viel mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können und weniger Terminstress zu haben. Das ständige Abstandhalten und die Kontaktsperre erachtet sie als anstrengend, aber wichtig. „Dass man mit den Kindern noch nicht mal zu Teilen der eigenen Familie gehen kann, ist schon schwierig.“ Ehemann Patrick (40) ist Pädagoge und glaubt, dass die schrittweise Öffnung der Schulen den Bedürfen der Kinder und Eltern sehr entgegen komme. „Ich bin gespannt, inwieweit sich die notwendigen Hygienevorschriften im Schulalltag verwirklichen lassen und wie lange es dauern wird, bis alle Kinder wieder die Schule besuchen können.“
Beide wünschen sich, dass bald wieder Normalität eintritt. Für die Zeit nach Corona haben sie einen Vorsatz gefasst: „Wir wollen darauf achten, nicht mehr so viele Termine in eine Woche zu quetschen.“