Gitte Haenning überzeugt mit kraftvoller Stimme

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Sie überzeugt mit Authentizität und einer phantastischen Stimme: Gitte Haenning präsentierte sich am Freitagabend in der ausverkauften Schlüchterner Stadthalle als herausragende Jazzsängerin und verzückte das Publikum zusammen mit ihrer Band restlos – ein weiteres Glanzlicht im Kuki-Jubiläumsprogramm.
Die Bühne ist in blaues Licht getaucht, die vierköpfige Band spielt entspannt groovenden Barjazz. Dann tritt unter dem Jubel der rund 500 Besucher Gitte Haenning auf die Bühne und präsentiert eine fabelhafte Neuinterpretation ihres Hits „Ich hab‘ Lampenfieber“. Nicht der letzte ihrer alten, liebgewonnen Songs, die die dänische Künstlerin an diesem Abend gekonnt in die Neuzeit transportiert. Denn natürlich hat auch der „Cowboy“ seinen Auftritt – allerdings anders als von manchem erwartet.
„Ich will mich nicht als eine versteinerte Ikone fühlen“, sagt die 72-Jährige. Und sie will sich künstlerisch in keine Schubladen und Genres drängen lassen, macht, worauf sie Lust hat: „Ich möchte einfach mit diesen wunderbaren Musikern auf der Bühne stehen und musizieren.“ Ihre Begleitband ist in der Tat erstklassig: Sebastian Weiß am Piano, Benedikt Reidenbach an der Gitarre, Thomas Alkier am Schlagzeug und Olaf Casimir am Bass, allesamt herausragende Jazzer, ernten immer wieder Zwischenapplaus für ihre virtuos dargebotenen Soloparts.
In ihrem stilistisch weitgespannten Repertoire von Jazz und Swing über Blues und Soul bis hin zu Rock und Country hat Gitte Haenning neben den Neubearbeitungen ihrer eigenen Klassiker wie „Ich will alles“ vor allem die Lieblingslieder ihrer Freunde und Helden. Udo Lindenberg etwa, den die Sängerin wegen seiner Lässigkeit mag. Dessen „Club der Millionäre“ gibt sie ebenso zum Besten wie Rio Reisers „Für Dich und immer für Dich“, den Broadway-Evergreen „There’s no business like show business“, Judy Garlands „I can’t give you anything but love“ oder „Go to hell“ von Nina Simone.
Dabei versprüht der ehemalige Kinder- und Schlagerstar, der sich seit mehr als 60 Jahren erfolgreich in der Showbranche behauptet und immer wieder zu überraschen vermochte, nicht nur eine enorme Energie, Frische und Coolness, sondern fasziniert gleichermaßen mit einer kraftvollen, höchst wandlungsfähigen Stimme, die staunen lässt. Ihr Alter merkt man ihr in keinster Weise an, nichts an ihr wirkt aufgesetzt oder prätentiös. Gitte Haenning bleibt sich treu, kommt ohne Glitter, ohne Schnickschnack aus – das spiegelt sich auch in ihren unaufgeregten, jugendlich-légeren Bühnenoutfits wider. Die dezente, aber wirkungsvolle Beleuchtung ist auf den Punkt und setzt die Ausnahmekünstlerin und ihre Mitstreiter perfekt in Szene.
Das Publikum – zum Teil weit angereist, um diesen Abend zu erleben – ist hingerissen und lässt sich gerne von ihr durch ihr musikalisches Leben und ihre außergewöhnliche Karriere geleiten, lauscht den Geschichten und Anekdoten, die sie mit charmantem dänischen Akzent und durchaus selbstironisch erzählt, etwa als sie mit dem von ihr hochgeschätzten Helge Schneider eine Zigarre rauchen ging oder als junge Frau Marlene Dietrich 1963 in Baden-Baden traf. Genau wie die große Dietrich bezieht auch Gitte Haenning Stellung – gegen die „Newcomer im politischen System in Deutschland“. Und genau wie Marlene Dietrich setzt auch sie mit dem zeitlosen Protestsong „Blowin‘ in the wind“ ein klares und eindringliches Statement.
Einmal mehr hat es das Kuki geschafft, zum 25-Jahre-Jubiläum ein echtes Glanzlicht zu präsentieren, vielleicht sogar das Highlight dieser Sommersaison. Es ist die erste Veranstaltung in der frisch renovierten Stadthalle – und alle Beteiligten, die Kuki-Helfer, das Technikteam, die Verantwortlichen der Stadt Schlüchtern, haben zusammen hart daran gearbeitet, um dieses besondere Event zum Start zu stemmen und ein schönes, stimmiges Ambiente zu zaubern. Es ist ihnen auf ganzer Linie gelungen.
Nach mehr als zwei Stunden Showprogramm und zwei heftig beklatschten Zugaben werden Gitte Haenning und ihre Band mit donnerndem Schlussapplaus belohnt, die meisten Gäste hält es inzwischen sowieso nicht mehr auf den Sitzen. Dass sie kein unnahbarer Star ist, wird auch nach dem Konzert deutlich: Sie nimmt sich Zeit für ihre Fans und signiert etliche der 200 Plakate, die dem Kuki-Team förmlich aus den Händen gerissen wurden.