Wunderbare Songs – poetisch und rebellisch

Text_2

Zur zweiten Weltpremiere seines Films „Gundermann“ in der restlos ausverkauften Steinauer Katharinenkirche, kam Regisseur Andreas Dresen in den Bergwinkel und gab vorher mit seiner Band ein fantastisches Open-Air-Konzert.
„Da geht’s was, ich spür’s“, rief Sänger und Schauspieler Alexander Scheer ins begeisterte Publikum auf dem Steinauer Kumpen, noch bevor die Band überhaupt einen Ton gespielt hatte. Dann begann die sechsköpfige Gruppe mit der sanften Ballade Gerhard „Gundi“ Gundermanns „Alle Filme sind schon gedreht…“, fetzte danach aber mit dessen Song „Gras“ so richtig wild drauflos: „Immer wieder wächst das Gras / klammert alle Wunden zu.“
Im Laufe des Abends wurden fast ausschließlich Stücke des im Westen kaum bekannten ostdeutschen Musikers dargeboten, dennoch sangen viele Besucher die Texte mit. „Gundi“ war eher ein Folk-Sänger, aber sowohl die Rockgruppe um den Regisseur als auch die Musiker im Film spielten die Lieder des früh verstorbenen Singer-Songwriters wesentlich rockiger als er damals. „Wir haben sie für den Film behutsam modernisiert“, sagte Dresen uns ja im Interview.
Scheer, der den Gundermann im Film unglaublich authentisch und überzeugend spielte, kam ohne „Gundi“-Verkleidung auf die Bühne und ist ganz er selbst. Man spürte, dass er schon in vielen Bands mitgewirkt und gesungen hat – der Mann ist eine echte „Rampensau.“ Auf seiner abgeschrappten Gitarre begleitete er die meisten Songs selbst, seine Stimme klang häufig wie beim frühen Rio Reiser, als der noch bei „Ton Steine Scherben“ sang. Für einige Stücke kam zum Schluss des gut einstündigen, ausverkauften Konzerts noch Anna Unterberger auf die Bühne, die im Film Conny, die Lebensgefährtin des Sängers darstellt.
Einerseits fuhr die Musik in die Beine, am Rand des Konzerts tanzten auch einige Leute. Andererseits konnte man die Qualität der gut zu verstehenden Texte erspüren: Songs wie „Du bist in mein Herz gefallen“ oder „Alle, die gehen wollen, sollen gehen können“, sind zeitlos und es wert, (wieder) gehört zu werden.
Es war eine kleine Sensation, dass das Kuki an diesem wunderbaren Abend nicht nur die zweite Premiere des Films vorbereiten konnte, sondern die Band auch eins ihrer ganz wenigen Konzerte gab. Der musikalische Filmemacher Dresen freute sich sehr, wieder einmal im Bergwinkel zu sein und lobte die „zauberhafte Kulisse“ in Steinau. Er erinnerte daran, dass er hier schon häufiger mit seiner Gruppe – in der oft Axel Prahl mitspielt – auftrat. Ausdrücklich bedankte er sich beim KUKI für dessen „wundervolle Arbeit und die Gastfreundschaft.“
Zwischen den Stücken erzählte Dresen viel über die Dreharbeiten und das Leben Gundermanns, so dass das Publikum gut auf den Film eingestimmt wurde, den das Kuki übrigens in der Kirche auf zwei Leinwänden zeigte. Einer wie Gundermann lässt sich nicht erfinden. „Anhand dieser Figur kann man differenziert über das Leben in der DDR erzählen“, erklärte Dresen dem Publikum. Er war jemand, „der im Tagebau gearbeitet hat und wunderbare Songs geschrieben hat, der Kommunist war und gleichzeitig aus der SED rausgeflogen ist, jemand, der bei der Stasi war, dann aufgehört hat, dann selbst bespitzelt wurde.“ Während der Musiker in der DDR recht bekannt war, kannten ihn im Westen nur wenige Leute. Das hat die Realisierung des Films schwer gemacht, von Produzenten und Geldgebern wurde der Regisseur immer wieder gefragt: „Wer ist denn Gundermann?“ Das wird sich nun wohl ändern. Schon jetzt, vor dem eigentlichen Kinostart, hat der Streifen über den ostdeutschen Rio Reiser ein gewaltiges positives Echo in den Medien gefunden.
Gut zehn Jahre lang hat Dresen mit seiner Drehbuchschreiberin an dem Projekt gearbeitet. Nun mag er es kaum glauben, dass der Film, der am Vorabend zum ersten Mal in Essen gezeigt wurde, wirklich fertig geworden ist.
Man spürt, dass alle Musiker sehr viel Spielfreude und Spaß an ihrem Auftritt hatten. Dresen sagte uns, dass er so gerne mit der Band spielt, weil er selber mitmachen darf und Teil des Organismus ist. Es war zu spüren, wie lustvoll er mit den anderen Musikern und dem Publikum im gemeinsamen Flow abhob.
Auch die Kuki-Leute gaben ihrer Stimmung Ausdruck: „Wir sind stolz und glücklich, dass so viele Leute aus nah und fern diese Filmpremiere mit dem Open-Air Konzert der Soundtracks aus dem Film hautnah erleben konnten. So einen Event hat man hier schließlich nicht alle Tage.“
Nun geht es für die Filmcrew nach Steinau weiter zu Konzerten in Dresden, Jena, Berlin, Hamburg.