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Beim Bieranstich ist es immer der erste Schlag, der sitzen muss. Beim Katharinenmarkt in Steinau kamen die Katharinenmarktmeister und ein Dutzend befreundeter Kalte-Markt-Präsidenten aus Schlüchtern aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Bürgermeister Christian Zimmermann nicht einmal einen zweiten Versuch benötigte, um stolz: „O’zapft is!“ zu rufen.
Zuvor hatte der Rathauschef auf dem Kumpen, den 733. Kathreimoat eröffnet. Obwohl es die ganze Zeit leicht geregnet hatte, kamen rund 400 Besucher zur Eröffnung, die traditionell nach dem Lampionumzug stattfindet. Eine Autobahnsperrung war die Ursache, dass es diesmal fast eine halbe Stunde später los ging. Denn der Gelnhäuser Fanfarenzug, der den Umzug seit Jahren musikalisch begleitet, steckte im Stau.
Bei Glockengeläut und umweltfreundlichen Böllerschüssen vom Band hatte Zimmermann den Markt eröffnet. Er kritisierte, dass Bund und Land noch immer nicht den Kommunen Gelder bereitstellten, um die Ukraine-Flüchtlinge besser unterstützen zu können. Die Kommunalpolitiker bat er, gemeinsam an guten Lösungen für die Stadt zu arbeiten. Es gehe dabei nicht um einzelne Stadtteile, sondern immer um die Gesamtstadt. Nach dem kleinen politischen Diskurs freute er sich darüber, dass mit Steuerberater Sebastian Buch ein neuer Katharinenmarktmeister gewählt worden sei, der durch seine ehrenamtliche Arbeit in der Feuerwehr und der ARGE Steinau einiges bewege.
Bevor die Katharinenmarktmeister ihr „Ja, wir feiern den Kathreimoat, sowas gibt’s an keinem Ort“ anstimmten, stellte sich Sebastian Buch den vielen Marktbesuchern vor. Ein Steuerberater könne nicht auf eine Jahrhunderte alte Historie zurückblicken wie ein Zimmermann oder Schäfer. Als Geburtsstunde der modernen Steuerberatung nannte der 35-Jährige das Inkrafttreten der Reichsabgabeverordnung 1919. Im Jahre 1933 wurde der Begriff „Steuerberater“ gesetzlich verankert. Für die Zulassung wurde ein abgeschlossenes Hochschulstudium gefordert. Aktuell seien 37,5 Prozent der Berufsangehörigen Frauen. So weit die harten Fakten.
„Wussten Sie, dass 1902 die Schaumweinsteuer zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde und bis heute nicht abgeschafft wurde?“, fragte er in die Runde. Steuerberater gebrauchten die Worte ja und nein nur selten. Wählten lieber die Formulierung „Es kommt darauf an, wenn, soweit …“ und beendete seine Rede mit dem Satz: „Genießt den Zauber des Katharinenmarktes“.
Nach der Eröffnung begab sich die Steinauer Jugend schnellen Schrittes Richtung Rummel und hatte keine Augen für die Angebote der Händler am Straßenrand. Bestimmt hat der eine oder andere junge Mann geglaubt, mit einem Crash im Autoscooter einer jungen Dame imponieren zu können. Im Festzelt auf der Mauerwiese rockten am Freitag „BackYard28“ mit Rock und Pop den Saal. Am Samstagabend sorgte die Kultband „Rio“ für Partystimmung. Am Spätnachmittag hatten dort die „Royal Scots Pipes & Drums“ aus dem Königreich Flieden andere Töne angestimmt, die aber ausgesprochen gut ankamen. Nicht wegzudenken bei Veranstaltungen ist die Gitarrengruppe Hintersteinau, die am Sonntagnachmittag ebenso für gute Unterhaltung gesorgt hat wie mittags die „BiertranSportler“ mit ihrem ultimativen Mix aus Blasmusik und Partyhits. Richtig gut kam der Auftritt des Musikvereins Germania vor der Eröffnung an, statt eines Platzkonzertes suchten die Musiker Schutz vor dem Regen in der Markthalle. Ihre abwechslungsreichen Stücke kamen aber über die Lautsprecher perfekt rüber. Eine sehr gelungene Premiere gab es am Sonntagvormittag. Im Festzelt auf der Mauerwiese feierte eine große Schar Katharinenmarktmeister und Steinauer gemeinsam mit Pfarrer Gernot Fleischer einen evangelischen Gottesdienst. Die Heilige Katharina, Schutzpatronin der Stadt und Namensgeberin des Heimatfestes, und die Zehn Gebote waren Thema der Predigt. Musikalisch begleitet wurde der Gemeindegesang, der das Festzelt wunderbar erfüllte, von Uwe Bäbler am Keyboard.
Die regnerische Wetterlage hatte kurzfristig zu Absagen einiger Händler geführt. Die Hartgesottenen unter ihnen hatten dagegen am Ende gute Geschäfte gemacht. Wie Ilona Görg mit ihrem zauberhaften „Alles für’s Baby“-Stand. Für die Seligenstädterin ist es ein schönes Hobby, rund zehnmal im Jahre den jungen Eltern eine Freude mit ihren Textilien und Stofftieren zu bereiten. Sie liebt die besondere Atmosphäre in historischen Fachwerk-Altstädten. „In Steinau komme ich mir wie daheim vor.“
Rund 20 Märkte besucht Melitta Kimmling aus dem Hunsrück. Das Motto der Rentnerin: Genießen ist eine Kunst, die man für sich in Anspruch nehmen sollte. Sie bietet Premium Destillate, Fruchtliköre und Aperitif, Essige und weitere Köstlichkeiten aus der Manufaktur an. „Ich liebe es, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und tolle Kleinstädte wie Steinau kennenzulernen. Einen Besuch im Brüder-Grimm-Haus habe ich mir auf jeden Fall vorgenommen.“ Auf die großen Umsätze sei sie als Rentnerin ja nicht mehr so angewiesen wie die Kollegen, die hauptberuflich auf Märkten stünden und unter der Coronapandemie sehr gelitten hätten.