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Am 22. Oktober ab 20 Uhr feiert die Steinauer Märchenerzählerin Margot Dernesch ihr 25. Bühnenjubiläum, wie könnte es anders sein, mit einem märchenhaften Abend im Theatrium in Steinau. Dabei wird sie musikalisch mit Klavier und Gesang unterstützt von Maria Blatz .
Eigentlich suchte die vierfache Mutter bei einem Märchenerzählerseminar nach einer Auszeit vom Familienalltag. Als das Seminar bei Gertrud Hempel, der Gründerin der Volkserzähler Stiftung, im evangelischen Gemeindehaus in Schlüchtern mit einem öffentlichen Erzählabend endete, erhielt sie gleich drei Anfragen. Ihre Karriere als Märchenerzählerin begann als Selbstläufer.
Sie erzählte seitdem Märchen im privaten Bereich; etwa an einem Adventssonntag bei einer Familie mit einigen Kindern. Mit den Märchenabenden im Museum Brüder-Grimm-Haus trat sie in die Öffentlichkeit.
Im Jahr 2000 erschien das Erzählerlexikon von Kathrin Pöge-Alder mit Märchenerzählerinnen und Erzählern aus dem deutschsprachigen Raum. Da war Margot Dernesch bereits dabei.
Heute boomt das Erzählen von Märchen und es gibt geregelte Ausbildungswege für diese Kunst. Die Kulturpreisträgerin des Main-Kinzig-Kreises, Elfriede Kleinhans, war Margot Derneschs Mentorin. Sie besuchte zudem mehr als 30 Seminare bei der Europäischen Märchengesellschaft, Aus- und Fortbildungsveranstaltungen beispielsweise bei Dr. Heinrich Dickerhoff, dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Märchengesellschaft, Prof. Heinz Rölleke (Germanist und Märchenforscher) oder dem Märchenforscher Prof. Dr. Wilhelm Solms.
Bevor ein Märchen anspruchsvoll erzählt werden kann, muss der Buchtext bearbeitet werden. Es gilt die Struktur des Märchens und dessen „roten Faden“ zu erkennen. Geradlinigkeit in der Darstellung und eine deutliche Zeichnung der Charaktere sind wichtig. Die Bilderwelt des Märchens wird in bildhafter Sprache erzählt, um beim Zuhörer innere Bilder hervorzurufen.
Wer gut erzählen möchte, braucht eine innere Empathie zur jeweiligen Geschichte. Eine entsprechende Atemtechnik und Stimmtraining sind notwendig und werden mit Gestik, Mimik und der Körperhaltung insgesamt unterstützt. Die non-verbale Kommunikation will ebenso geübt sein, wie die Präsenz auf der Bühne.
Hinzu kommt das „Bühnenbild“. Seitdem Margot Dernesch einmal Märchen in einem Raum erzählen sollte, dessen Wände mit Dartscheiben ausgestattet waren, habe sie neben Requisiten wie den passenden Steifftieren, Spieglein oder Federn immer auch Tücher im Gepäck, die sie im Raum drapieren kann.
„Ich liebe es, wenn ich die Menschen im Publikum noch sehen kann“, gesteht sie und berichtet: „Im Scheinwerferlicht ins schwarze Dunkel zu erzählen erfordert eine enorme innere Kraft.“ Habe sie aber die Chance zu nonverbaler Kommunikation, so könne sie in der Erzählung auf Mimik und Ausdruck der Zuhörer eingehen. Als sie etwa am Kaliberg unter freiem Himmel erzählte, änderte sie spontan das vorbereitete Programm, weil unerwartet viele Kinder gekommen waren.
Heute ist Margot Dernesch 66 Jahre alt. In ihrer Heimatstadt Steinau war sie fünf Jahre lang als Stadträtin sowie als Stadtverordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD kommunalpolitisch tätig.
Schon bald nachdem sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik am Frankfurter Diakonissenhaus im Internat abgeschlossen hatte, übernahm sie die Leitung eines Kindergartens. Nach einem Kurzstudium arbeitete sie 19 Jahre lang an einer Förderschule in Schlüchtern.
Oftmals seien ihre vier Kinder auch Versuchsobjekte gewesen. Dann lagen sie in ihren Betten und ihre Mutter stand vor ihnen und erzählte. Einmal lachten ihre Kinder herzhaft: „Du schaukelst hin und her wie eine Schiffschaukel“, erklärten sie den Grund ihrer Heiterkeit. Um die nötige Ruhe zu finden und das Erzählen zu erlernen, habe sie sowohl unter der Dusche als auch am Bergweiher in der Natur mit dem Wasser und den Fröschen allein Märchen erzählt. So ist es heute für Margot Dernesch kein Problem mehr, etwa in der Stadthalle Hünfeld vor Wandervereinen und mehreren hundert Leuten bei Kerzenlicht Märchen zum Leben zu erwecken, während es im Saal totenstill ist. BWB