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Fußballlegende Norbert Nachtweih hat deutsche Fußballgeschichte geschrieben. Bei der Gedenkfeier der Bürgerbewegung Bergwinkel zum Tag der deutschen Einheit beantwortete der 65-Jährige als Ehrengast der Veranstaltung alle Fragen von BBB-Fraktionschefin Sylke Schröder und dem stellvertretenden Vorsitzenden Rainhard Cerny sympathisch, sachlich, offen und ehrlich.

Mehr als 100 Spiele für die Eintracht und 200 Partien für Bayern München hat der ehemalige Auswahlspieler der DDR bestritten. 1976 gelang ihm gemeinsam mit Jürgen Pahl in Istanbul die Flucht aus der DDR. „Natürlich wollten auch wir in der Bundesliga spielen. Aber die Flucht gelang spontan und war nur unserem jugendlichen Leichtsinn zu verdanken. Wir waren gerade mal 19 Jahre alt.“, erzählte er. Ein amerikanischer Reiseleiter hatte sich im Hotel, in dem die DDR-Delegation bei der U21-Europameisterschaften untergebracht war, mit Pahl unterhalten. Bei einem weiteren Gespräch wurde ein Fluchtplan erarbeitet, der vorsah, dass die beiden auf dem Großen Basar in Istanbul sich von der Gruppe entfernen und heimisch in ein Taxi steigen und in der amerikanischen Botschaft um politisches Asyl bitten. „Allein hätte ich das nicht gemacht, aber wir hatten kaum Angst. Dabei wäre unsere Fußballkarriere schon beendet gewesen, bevor sie richtig angefangen hatte, wenn man uns gefasst hätte. Das war sehr leichtsinnig. Meine Eltern haben nichts davon gewusst und haben es aus dem Radio erfahren.“

Norbert Nachtweih betonte, er sei kein politischer, sondern ein sportlicher Flüchtling gewesen. Fast 10 Tage lang wurden Pahl und Nachtweih ausgefragt und dann nach Westdeutschland ausgeflogen.Im Aufnahmelager Gießen flatterte schon nach wenigen Tagen eine Einladung der Frankfurter Eintracht zu einem Probetraining ins Haus.In Frankfurt feierte er große Erfolgederen Höhepunkt der Gewinn des UEFA-Cups 1980 gegen Mönchengladbach war. „Frankfurt hatte damals große Spieler wie Cha Bum oder Ewald Lienen, aber in der Vorstandsetage saßen nur Laien und Amateure.“ Nach dem Wechsel zu Bayern München, den der „hilfsbereite Uli Hoeness“ eingeleitet habe, kamen sieben Titel hinzu, bevor er seine Karriere beim AS Cannes beendet hat. Die Flucht hatte ihn zum erfolgreichsten Profi aus Ostdeutschland gemacht, Noch erfolgreicher als ein Matthias Sammer oder Michael Ballack

„Als die Mauer fiel, habe ich noch in Cannes gespielt. Damals hatte ich wenig mitbekommen, dass sich da in der alten Heimat etwas rührt.“ Bei der Familienzusammenführung seien viele Tränen geflossen. Seine Eltern hatte er in den vielen Profijahren nur zweimal bei Auslandsspielen getroffen.

Aus den Stasiakten erfuhr „der Nachtfalter“, der in Frankfurt und München nachts Abwechslung suchte und gern um die Häuser zog, dass der Staatssicherheitsdienst ihn immer beschattet hatte. „Es wäre einfach gewesen, KO-Tropfen ins Glas zu schütten und ich wäre auf dem Alexanderplatz wieder aufgewacht. Sie haben es nicht getan. Warum, weiß ich nicht. Und ein zweites Mal in die Akten schauen, wollte ich nicht“ Er sei jetzt 46 Jahre im Westen und hier angekommen. Seine Heimat bliebe aber Ostdeutschland.

Auf die Frage, ob Deutschland Weltmeister werde, antwortete Nachtweih mit nein. „Die wollen den Ball ins Netz tragen. Das Kurzpassspiel gefällt mir gar nicht und warum der Ball mehrmals zum Torhüter zurückgespielt wird, bevor dieser dann doch einen langen Ball schlägt, verstehe ich nicht.“ Zur WM in Katar fehlten ihm die Worte. „Ist ein brutaler Fehler.“

Zusammen mit Charly Körbel leitet Nachtweih die Fußballschule der Eintracht und läuft noch immer in der Traditionself auf. „Wir spielen inzwischen jedes Wochenende, da wegen der Coronapandemie die vereinbarten Partien abgesagt werden mussten.“

Seine Freude hat Norbert Nachtweih am neuen Trendsport Walking Football 55+. Fußballfitness sei ein altersgerechtes Fußballtraining auf dem Kleinfeld, in dem nicht gerannt werden dürfe, sondern nur gewalkt. Die Übungen förderten Stabilität, Koordination und Kraft. Fußballwart Dietmar Pfeiffer teilte in diesem Zusammenhang mit, dass der Fußballkreis Schlüchtern Walking Football inzwischen auch anbiete.

Norbert Nachweih ist ein sympathischer Mensch, offen und ehrlich, war der allgemeine Tenor der rund 70 Zuhörer in der Schlüchterner Stadthalle.