Das Konzert beginnt mit einem Wispern. Wie passend für eine Zeit, in der alles aufgeladen zu sein scheint mit Magie und das Wunder der Weihnacht wahr werden will. Das Wispern verdichtet sich zu sattem Klang, dessen Leuchten sich flugs in der ausverkauften Katharinenkirche in Steinau ausbreitet: Sie sind wieder da!
Die mehrfach preisgekrönte A-Cappella-Band ONAIR aus Berlin gastiert zum zweiten Mal im Bergwinkel. Erneut auf Einladung des Kino- und Kulturvereins KUKI, der die fünf Stimmtalente bereits 2018 in die Grimm-Stadt geholt hatte.
„So This Is Christmas“ versprechen sie mit ihrem Programm, und sie bescheren das begeisterte Publikum an diesem Abend reichlich. Für den Verein sei es der glanzvolle Höhepunkt einer erfolgreichen Saison, wie Vorstandsmitglied Hanspeter Haeseler bei der Begrüßung unterstreicht.
Glanz und Licht spielen tatsächlich eine große Rolle – sowohl in den herrlichen Höhen der Sopranstimmen von Marta Helmin und Jennifer Kothe, als auch angesichts der technisch ausgeklügelten Licht-Show, die dem Spannungsbogen des Konzerts eine wahrlich elektrisierende Wirkung verleiht. Das ohnehin eindrucksvolle Kirchenschiff verwandelt sich in eine Traumwelt aus farbigem Funkeln.
Nicht nur die Mädels, auch die Jungs der famosen Formation sind bekennende Technik-Freaks: Allen voran Beatbox und Bariton Patrick Oliver, eine wandelnde Rhythmusmaschine. Die treibenden Beats, die er aus seinem Körper herausholt, werden mit einer Loop-Station aufgezeichnet und bestimmen die unglaubliche Dynamik der Arrangements.
Wichtige Dramaturgen sind selbstverständlich auch Tenor André Bachmann und Bass Kristofer Benn, die mit ihren beweglichen Stimmvolumina für Fülle sorgen. Wie gut die Mischung aus natürlicher Stimmqualität, Tempo und High-Tech selbst auf Zuruf funktioniert, zeigt das Quintett mit dem Song „Jingle Bells“, den es auf Wunsch des Steinauer Publikums kurzerhand als wildes Metal-Geheule darbietet.
Die Fünf beherrschen die musikalischen Stilrichtungen souverän, und der besondere Reiz liegt im Spiel damit. Chris Reas „Driving Home For Christmas“ bekommt bei ONAIR eine Soul-Note, optisch und akustisch verfeinert mit eindrucksvoller Körper-Percussion. Und selbst die landauf landab umstrittene Schmonzette „Last Christmas“ von Wham ist in der ONAIR-Variante ein zumutbares sinnliches Erlebnis.
ONAIR wissen das Publikum zu berühren: stimmlich, technisch, persönlich. Denn zu fast jedem der dargebotenen Lieder gibt es eine Geschichte – etwa zu dem nachdenklichen „Koleda Maryi“, einem polnischen Weihnachtslied, das Marta Helmin besonders am Herzen liegt. Die Sopranistin stammt aus Polen und interpretiert das Stück gefühlvoll und inniglich.
Ähnliche Wirkung hat das traditionelle „Maria durch ein Dornwald ging“, das in der Version von ONAIR seine dunkle Pracht entfaltet. Auch der Zartheit des Lieds „Es ist ein Ros entsprungen“ wissen die Künstler feinsinnig nachzuspüren: Ihre Stimmen bereiten ein weiches Beet für den jeweiligen Solisten, der darauf die Rose erblühen lässt.
Überhaupt entstehen die berührendsten Momente jenseits der perfekten Show: Immer dann, wenn die Sängerinnen und Sänger ganz pur und ohne technisches Tuning ihre schönen Stimmen erklingen lassen: Wie etwa zum Schluss bei der letzten Zugabe, die zugleich eines der größten Geschenke des Abends ist: „Stille Nacht, Heilige Nacht.“ Das Publikum spürt dem Wispern einen Atemzug lang nach, dann erhebt es sich zu lang anhaltendem Jubel und Applaus im Stehen.