Freudiger Jubelgesang und festliche Orgelklänge erschallten am Sonntag Kantate beim letzten Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche St. Michael vor der zweijährigen Renovierungspause. Bei manchem Besucher kam trotz der feierlich-beschwingten Musik auch ein wenig Abschiedsschmerz auf.
Pfarrerin Simone Schneider hatte sich dennoch bewusst dagegen entschieden, allzu wehmütig auf den Kirchenbau und seine Geschichte zurückzublicken und erwähnte die bevorstehende Schließung zwecks umfassender Innenrenovierung erst gegen Ende des Gottesdienstes.
„Freuen Sie sich mit mir auf das Neue, freuen Sie sich, wenn wir in zwei Jahren wieder einziehen können und die Kirche in neuem Glanz erstrahlt“, appellierte sie an die Gemeinde. Vieles werde sich ändern, einiges aber auch vertraut sein. In ihre Fürbitten schloss sie ebenfalls alle mit der langwierigen Renovierung beschäftigten Handwerkerinnen und Handwerker mit ein und erbat für sie Gottes Schutz und Segen.
Der Sonntag Kantate, der vierte Sonntag nach Ostern, fordert zum Singen auf. Weil dies den Gottesdienstbesucher schon seit Längerem nicht mehr erlaubt ist und auch die Chöre Zwangspause haben, sind Vokalstücke nur noch in kleiner Besetzung möglich. Aber auch im Quartett, reduziert auf vier Stimmen, bescherten Nora Kniege, Silvia Leuther, Stefan Xenakis und Florian Gärtner von der Empore aus einen angenehmen Hörgenuss.
Kraft- und eindrucksvoll gelangen der Sopranistin Martje Grandis aus Vellmar Dvoraks „Herr, mein Gott, ich singe ein neues Lied“ und „Singt ihm ein neues Lied“ sowie das „Halleluja“ aus der Mozart-Motette „Exsultate, jubilate“. Die Orgelbegleitung und die Leitung der Sängerinnen und Sänger teilten sich Bezirkskantorin Dorothea Harris und Dr. Michael Schneider.
Gesang und Orgel ertönten bereits am Samstagabend: Zwar konnte die ursprünglich geplante „Night Of The Songs“ mit verschiedenen musikalischen Gruppen pandemiebedingt nicht stattfinden, immerhin aber ein Abendgebet mit Live-Musik und ebenfalls stark eingeschränkter Zahl an Akteuren sowie mit digitalen Aufnahmen, vorab eingesungen von Mitgliedern der Kantorei, des Vokalensembles und des Jugendchores. Die Einspielungen können ab sofort auch online abgerufen werden.
Nach der Predigt zu einem Abschnitt aus dem Lukas-Evangelium (19, 37-40) über den Lobpreis Gottes und das Singen als Ausdruck gelebten Glaubens war es so weit: Zu Edgar Elgars hymnischen Ohrwurm „Pomp and Circumstance 1“, der, von Bezirkskantorin Harris an der Orgel intoniert, reichlich britischen Charme versprühte, räumte die Pfarrerin gemeinsam mit Mitgliedern des Kirchenvorstandes sowie den anwesenden Küsterinnen und Küstern die Altargeräte ab.
Gemeinsam trugen sie sie in einem feierlichen Zug durch den Mittelgang der Michaelskirche hinaus in den strahlenden Sonnenschein und weiter zum benachbarten Gemeindezentrum. Dort werden künftig die Gottesdienste abgehalten, bei gutem Wetter auch draußen.
Während einige der Gläubigen sich zögerlich der Prozession anschlossen und ins Freie traten, blieben andere im Gotteshaus zurück, lauschten dem Orgelspiel bis zum Ende, spendeten Applaus oder zückten ihr Smartphone, um ein letztes Mal den alten Innenraum zu filmen und den leeren Altar zu fotografieren.
Am kommenden Samstag dann wird die Kirche ab 9 Uhr ausgeräumt – Helfer sind willkommen. Der erste Gottesdienst im Gemeindesaal findet am Sonntag, 9. Mai, um 10.45 Uhr statt.
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