„Solange das Abstandsgebot gilt, ist an einen regulären Proben- und Spielbetrieb nicht zu denken“

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Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen auch die Laien- und Amateur-Schauspielgruppen in der Region. Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln und strenge Hygienevorschriften sorgen für Probenausfälle, Veranstaltungsabsagen und verschobene Spieltermine. Der Bergwinkel Wochen-Bote hat bei fünf Theaterensembles nachgefragt, wie diese mit der Ausnahmesituation umgehen.
Wie so viele Kulturveranstaltungen ist auch die für November 2020 geplante Ur-Aufführung der Komödie „Institut Amore“ von der Schlüchterner Theatergruppe Sluohderin erst einmal auf Eis gelegt worden. Ein Stück pro Jahr bringt der 1988 gegründete, derzeit 70 Mitglieder starke Verein für gewöhnlich auf die Bühne der Stadthalle – derzeit sind dort noch keine Proben möglich, die zumeist ein halbes Jahr vor der Premiere beginnen. „Wir werden wohl die Aufführung auf 2021 verschieben müssen“, sagt die Vorsitzende Christiane Cavazzini. „Die Kosten wie Miete und Versicherungen laufen weiter. Wir können das aber für ein Jahr auffangen“, ist sie zuversichtlich.
Kontakt halten die Mitglieder per WhatsApp und E-Mail, eine vorsichtige Annährung ist inzwischen erfolgt: „Wir hatten den ersten Stammtisch – auf Abstand“, berichtet sie. 18 Theaterstücke hat die Autorin bereits verfasst und im Plausus-Verlag Bonn veröffentlicht, darunter zwei Märchen und zwei Krimi-Dinner. Auch „Institut Amore“ stammt aus ihrer Feder. Sie hat es in den vergangenen Wochen fertig geschrieben und sitzt derzeit an einem Kinderbuch. „Finanziell hat mich Corona ebenfalls erreicht“, ergänzt Cavazzini. „Keine Aufführungen, keine Tantiemen. Aber ich habe bis jetzt alles gesundheitlich gut überstanden, und das ist doch auch etwas.“
Auf Herbst 2022 verschoben
„Solange das Abstandsgebot gilt, ist an einen regulären Proben- und Spielbetrieb nicht zu denken“, sagt Felix Wiedergrün, Intendant und künstlerischer Leiter des Ensembles feel-X, das seit Juni 2001 die Kunst- und Kulturszene Bad Soden-Salmünsters bereichert. Via Videochat seien höchstens Leseproben, Zwei-Darsteller-Proben oder Vorstandsbesprechungen möglich. Eine große Produktion mit fünf bis sechs Aufführungen, mehrere Auftritte der Sprachkünstler „Ansmaskaas“, Salmünsterer Theaterführungen sowie die Unterstützung anderer Vereine und Institutionen stehen üblicherweise auf dem Jahresprogramm des Vereins. Die für November geplanten fünf Aufführungen von „Die Feuerzangenbowle“ im Spessart Forum sind auf den Herbst 2022 verschoben worden.
Dennoch sind die rund 70 Mitglieder nicht untätig und bereiten in verschiedenen Teams anstehende Projekte vor, so etwa das Jubiläumsstück für 2021, der „Salmünsterer Jedermann“, der auf dem Kirchplatz vor der Barockkirche St. Peter und Paul gezeigt werden soll. Eine erste Leseprobe – virtuell oder real – ist für August geplant. Außerdem hofft das Ensemble feel-X, im Dezember das „Fassadenfarben – Winterwunder“ auf die Gassen Salmünsters zu bringen. Und auch an dem Format „Literatur auf dem Kirchplatz“ will sich die Gruppe im Sommer beteiligen. Drei der Aktiven sind darüber hinaus mit der möglichen weiteren Verlegung von Stolpersteinen beschäftigt. Finanziell steht der Verein gut da: „Wir haben einen kleinen Puffer. Dieser muss ausreichen, um laufende Tantiemen und weitere Auslagen wie etwa die Miete für Lagerräume zu decken“, so Wiedergrün.
„Proben über Skype oder Webinare sind für uns momentan keine Alternative“, teilt Gerold Lotz von der Theaterwerkstatt Freigang mit. Dramaturgie und Spielleitung liegen in seinen Händen, geführt wird der seit einem halben Jahr eingetragene Verein von Hugo Huhn (Ulmbach/Salmünster) und dessen Vorstandsteam. Das Ensemble hat sich bereits vor zwei Jahren zusammengefunden, alle der bis zu 15 Akteure beteiligen sich an den organisatorischen und künstlerischen Prozessen. Als der Lockdown kam, hatte die Gruppe gerade zwei Mal Ferdinand von Schirachs „Terror“ im Theatrium Steinau dargeboten, Folgetermine mussten jedoch abgesagt werden. „Sobald es die Beschränkungen des öffentlichen Lebens erlauben, werden wir dort weitere Vorstellungen geben“, informiert Lotz.
Überdies hatten die Mitglieder beabsichtigt, an einem neuen Projekt zu arbeiten, da der Verein sich zum Ziel gesetzt hat, ein bis zwei abendfüllende Stücke pro Jahr auf die Bühne zu bringen – durch die Corona-Krise sind die wöchentlichen Proben nun vorerst nicht möglich. Nichtsdestotrotz nutzen sie die erzwungene Auszeit, um ihre „Terror“-Rollentexte aufzufrischen sowie interessante Stoffe und Stücke zu entdecken. Zwar verzeichne die Theaterwerkstatt Freigang durch die Absagen und fehlenden Spielmöglichkeiten durchaus Einbußen, wie Lotz erklärt. „Da wir unsere bisherigen Investitionen aber überschaubar gehalten haben und wir ein reines Amateurtheater sind, haben wird keine finanziellen Schwierigkeiten.“
Normalerweise 600 Besucher
Mit erheblichem finanziellen Verlust rechnet hingegen die Laienspielgruppe der Turn- und Sportgemeinschaft Züntersbach. „Wir sind eine Abteilung innerhalb der TSG und spielen im Namen der TSG im Sportheim. Bei den drei Aufführungen im Jahr haben wir normalerweise etwa 600 Besucher. Diese fehlenden Einnahmen müssen vom Verein durch Sparmaßnahmen und einen finanziellen Puffer kompensiert werden“, weiß Harald Stelzner, Leiter der Theatergruppe.
Eigentlich hatten die 22 Aktiven gehofft, trotz coronabedingter Verspätung, die Suche nach einem kurzweiligen, witzigen und vor allem außergewöhnlichen Stück wenigstens Mitte des Jahres starten und danach entsprechende Vorkehrungen (Rollenverteilung, Bühnenbild, Requisiten, Festlegung des Probenzeitplans) treffen zu können – daraus wird aber aufgrund der bestehenden Beschränkungen nichts. „Bei unserer Form des Theaters kommt es viel auf Mimik und Gestik an, und auch der Abstand bei den Proben, bedingt durch die räumliche Situation auf der Bühne, könnte nicht eingehalten werden“, sagt Stelzner. „Außerdem steht ja auch der Spaß am Spielen im Vordergrund, und der wäre durch die einzuhaltenden Maßnahmen – Maske, Abstand, kein Körperkontakt – schlichtweg nicht vorhanden!“ Skype und Co. sieht er ebenfalls nicht als Alternative. Zum Bedauern aller Beteiligten fallen also 2020 die Aufführungen der traditionsreichen Züntersbacher Laienspielgruppe, deren Wurzeln bis in die 1920er Jahre hinein reichen und die 1968 offiziell ins Leben gerufen wurde, aus.
Schon vor geraumer Weile hatte das Hofnarr Theater mit Sitz in Herolz vor, die Geschichte vom Brandner Kaspar nach einer in oberbairischer Mundart verfassten Erzählung von Franz von Kobell in einer eigenen Version zu präsentieren, das Vorhaben aber nie umgesetzt. „Unlängst hat uns der Brandner Kaspar dann wieder eingeholt“, erzählen Romana und Rudolf Falk.
„Der Brandner Kaspar und das Corona“ ist ihr ebenso schräges wie humorvolles „Handmade-Video“ betitelt, das die beiden via Internet, Facebook und WhatsApp verbreitet haben. Die seit 2011 bestehende Theatertruppe mit einer Hand voll fester Stammspieler und etlichen Gastdarstellern nimmt die Ausnahmesituation gelassen, da aktuell kein großes Projekt bevorsteht. Der musikalisch-literarische Abend „Jazz, Lyrik, Prosa“ mit befreundeten Künstlern im Theatrium Steinau wurde in den August verschoben, der Kästnerabend mit John Rogers wird voraussichtlich in den Herbst verlegt, ebenso das eine oder andere Bühnenwerk für Kinder aus dem Repertoire. So haben sie ausreichend Zeit und Muse, sich kreativ zu betätigen und Ideen für ein neues Schauspiel mit Lokalbezug zu entwickeln: „Das Leben des Doktor Lotich“.