Massive Kritik an Fünf-Quadratmeter-Regel

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Zahlreiche gastronomische Betriebe haben im Altkreis Schlüchtern seit dem 15. Mai wieder geöffnet. Doch ist mit den aktuellen Vorschriften ein wirtschaftlich vertretbarer Re-Start überhaupt möglich? Der Bergwinkel Wochen-Bote hörte sich bei heimischen Gastronomen um. Vor allem die Fünf-Quadratmeter-Regel, die es nur in Hessen gibt, bereitet Restaurants, Gaststätten, Bistros und Eisscafés große Probleme.
„Wir haben im Lokal 100 Sitzplätze und auf der Außenterrasse 40. Bei einem Abstand von 1,5 Metern und fünf Quadratmeter Abstand pro Person bleiben innen 20 und außen sieben Plätze übrig“, rechnete Blerim Mahmutaj, Inhaber der Pizzeria „LaVita“ in der Schlüchterner Krämerstraße, vor. In den vergangenen zwei Monate hat Mahmutaj auf seine Reserven zurückgegriffen. „Wir mussten Servicekräfte abmelden. Lediglich der Abholservice, der bei unseren Gästen gut ankommt, hat geholfen, dass wir offene Rechnungen bezahlen konnten.“ Wenn nur das Bundesland Hessen auf einer Fünf-Quadratmeter-Regel bestehe, sei diese Regelung willkürlich und müsse schnellstens zurückgenommen werden.
Auch „Blümchen“-Betreiber Tauland Hodza wünscht sich eine weitere Lockerung der Abstandsregelung in der Gastronomie. In Café, Bar und Lounge kann er 24 Personen bewirten. Außen sind es gerade mal elf. Hodza hofft, dass er Freiflächen am alten Rathaus nutzen darf, um mehr Gäste unterzubringen. Die zweimonatige Zwangspause hat er genutzt, um die Speisekarte zu überarbeiten und die Küche neu zu gestalten.
Corona-Formulare ausfüllen
Fast alle Kunden füllten das Corona-Informationsblatt mit Name, Anschrift, Telefon und der Gesundheitsabfrage aus und seien kooperativ. „Die Daten werden zum Zwecke der Nachverfolgung einer möglichen Infektionskette gespeichert und archiviert. Wer aus Datenschutzgründen sich weigert, das Formular auszufüllen, kann leider nicht bedient werden“, so der Inhaber. Wer das Café betrete, müsse zunächst die Hände desinfizieren und die Abstandsregeln beachten.
Das Familienunternehmen Benedetto betreibt seit Jahrzehnten das beliebte Eiscafé „Ciao Ciao“ unter den Linden. Da das Eiscafé in den Wintermonaten komplett renoviert und dabei viel Geld in die Hand genommen wurde, traf die Coronakrise den Betrieb sehr. „Natürlich akzeptieren wir die aktuellen Einschränkungen. Die Gesundheit geht vor. Doch vom Straßenverkauf allein, der wieder so läuft wie in der Vergangenheit, kommen wir ohne Kredite nicht über den Winter“, berichtete Seniorchef Carlo Benedetto. Die Fünf-Quadratmeter-Vorschrift hält er vor allem im Außenbereich für überzogen. „Da ist ein Abstand von zwei Metern ausreichend. Sobald ein Gast den Tisch verlässt, werden Stühle und Tisch immer erst desinfiziert. Alle unsere Gäste halten sich strikt an die Hygiene- und Abstandsregeln“, hofft er, dass die hessische Landesregierung entsprechend nachbessert.
Wieder durchgehend ab 11.30 Uhr geöffnet hat der Landgasthof „Grüner Baum“ in Steinau. Im Restaurant können aufgrund der Corona-Regeln nur 22 Gäste bewirtet werden. Bei schönem Wetter komme der Biergarten hinzu, berichtete Margarita Neuhold, die mit Küchenchef Uwe Hense die Traditionsgaststätte betreibt. „Wir brauchen mindestens 30 Prozent des normalen Umsatzes. Wir haben zwar die Kosten reduziert. Die Aushilfen stehen auf Abruf bereit. Aber die Restkosten laufen weiter. Leider ist nach der Öffnung des Lokals der Abholservice, mit dem wir uns in den vergangenen zwei Monaten über Wasser hielten, rückläufig. Wenn kein zweiter Lockdown kommt, überleben wir“, sagte die Wirtin. Durch Corona seien auch die Übernachtungen stark zurück gegangen. Alle Buchungen bis Juli seien storniert worden. „Bei uns übernachten derzeit nur Monteure. Tagestouristen, Urlauber und Biker fehlen komplett.“
Trotz der schwierigen Zeit sieht Margarita Neuhold auch Positives. „Die Gäste sind sehr diszipliniert. Kündigen sich telefonisch an, desinfizieren beim Eintritt ins Lokal die Hände, hinterlegen die komplette Anschrift und warten, wo sie sich hinsetzen dürfen. Irgendwie rücken alle in diesen Zeiten ein wenig näher zusammen.“
Kostendeckend arbeiten
Andere Zeiten, andere Herausforderungen gelten auch für die Familie Hölzer, die in Schwarzenfels das Gasthaus „Zur Burg“ betreibt. „Zum Glück haben wir einen großen Biergarten und einen gutgehenden Abholservice“, teilte Karl Hölzer mit. Der Gasthof selbst bleibe wegen der Fünf-Quadratmeter-Regelung geschlossen. „Das rechnet sich nicht“, meint der 54-jährige Gastwirt und ist auch der treuen „Laufkundschaft“ dankbar.
Der Kostenfaktor sei hoch, die Rendite gering in der Gastronomie, betonte er. „Das Geschäftsjahr 2020 haben wir abgeschrieben und versuchen nur noch kostendeckend zu arbeiten“, glaubt Hölzer, das so mancher, der nichts dafür könne, die Segel streichen werde. Im ländlichen Raum seien viele Gasthäuser in Privatbesitz. „Wenn Corona länger geht, sind die Eigentümer die Dummen. Ein Pächter kann kündigen. Wir nicht.“
Karl und Gabi Hölzer hoffen, mit einem Umsatz von 30 bis 40 Prozent in diesem Jahr über die Runden zu kommen. Dabei waren sie Anfang des Jahres komplett ausgebucht. Alle Buchungen seien aber inzwischen storniert worden. Der Schwarzenfelser Gastronom lässt sich dennoch nicht entmutigen, auch wenn ein Gast im Biergarten scherzhaft meint, der Wirt versprühe mehr Desinfektionsmittel als er Bier ausschenke.