Was soll man sagen? Einfach nur: Wow! Oder besser: Wau! Denn beim umjubelten Konzert der famosen Vocal-Pop-Band Onair in der bis zum letzten Platz gefüllten Katharinenkirche saß Dackeldame Conny in der ersten Reihe – sehr zum Vergnügen der fünf Stimmakrobaten aus Berlin.
Die Senkrechtstarter der internationalen a-cappella-Szene, die in kürzester Zeit alle wichtigen Preise ihrer Branche abräumten, haben nach eigenem Bekunden schon viel erlebt. „Aber Tiere in der ersten Reihe, das ist neu“, staunte Tenor André Bachmann.
Tja – Willkommen im Bergwinkel!
Dort, wo alles ein bisschen anders ist – vielleicht auch familiärer, wie Heide Buhmann vom Vorstand des Kultur- und Kinovereins Kuki in ihrer Begrüßungsrede deutlich machte. Und sie prophezeite, was Sekunden später eintraf: „Das wird ein großer Abend, ich habe schon ganz weiche Knie.“
Kulturperlen zum Jubiläum
Und tatsächlich: Onair erzeugen durch ihre Stimmen und fantastischen Vokal-Arrangements eine derartige Leuchtkraft, dass sich die Kulturkirche auf dem Kumpen mit den ersten Tönen in einen magischen Ort verwandelte. Offensichtlich ist die Märchenstadt Steinau geradezu prädestiniert für Erlebnisse dieser Art.
Der Kuki-Verein, der dieses Jahr mit Kulturperlen wie Onair sein 25-jähriges Bestehen krönt, freue sich jedenfalls sehr, dass die Stadtverwaltung und die evangelische Gemeinde in Steinau die Kulturarbeit unterstützen und die Schönheit der Altstadt und ihrer Gebäude auf besondere Weise erlebbar machen, so Heide Buhmann.
Magie, Märchen – da nahm es nicht wunder, dass auch noch Legenden dazu kamen.
Onair präsentieren zurzeit ihr neues Programm „Vocal Legends“ und ziehen damit den Hut vor Sängerinnen und Sängern, die Musikgeschichte geschrieben haben. Eine höchst persönliche Auswahl ist es überdies, denn mit der dargebotenen Musik verbinden die Künstler besondere emotionale Erlebnisse. Die Auswahl reicht von dem strahlenden Radio Ga Ga (Queen) über den geradezu ätherisch dahinschwebenden Sehnsuchtssong
Frisch polierte Noten
Stairway To Heaven (Led Zeppelin) bis hin zu einer Grönemeyer-Interpretation, die dem Lied „Der Weg“ neue Wendungen gibt.
Es ist, als seien die Noten frisch poliert und zu einem Klang-Mosaik zusammengesetzt worden, dessen Strahlen ein völlig neues Sinnes-Erlebnis ermöglicht.
Die Lieder kommen gleichsam in neuem Gewand daher: Chic, fein, wundervoll changierend.
Stimmen, Licht, Effekte, das alles wird zum magischen Strudel, der das Publikum mitreißt. Ganz strenge Rezipienten mögen erkennen, wenn hier und da ein Impuls etwas später einsetzt als erforderlich, aber das nimmt dem Gesamterlebnis nichts von seinem großen Glanz. Diesen mag ganz offensichtlich nicht nur die divenhafte Sopranistin Jennifer Kothe, die rein optisch aus einem 50er-Jahre-Côte d‘Azur-Film herausgefallen zu sein scheint.
Auch davon lebt das Stimm-Spektakel auf der Bühne: Da stehen unterschiedliche Typen, die ihre Einzel-Profile sowohl äußerlich als auch gesanglich herauszumeißeln verstehen und sie dennoch jederzeit zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen lassen können. Das gilt für die Punk-Lady Marta Helmin, die mit ihrer Sopranstimme einem Whitney-Houston-Song wunderbares neues Leben gibt, ebenso wie für den empfindsamen Dandy Kristofer Benn und seinen beweglichen Bass. Die Beatbox auf zwei Beinen, Patrick Oliver, verkörpert den Berufsjugendlichen in Lederjacke und T-Shirt. Er ist die Prise Rock im Gesamtmenü. Und der Tenor? Der ist der Hipster und emotional berührt, wenn Hundedame Conny in der ersten Reihe auf Frauchens Schoß einschläft.
Ansonsten schläft in der Katharinenkirche niemand: Frenetischer Applaus im Stehen, Jubelrufe und die wunderbare Zugabe „Für Immer und Dich“ (Rio Reiser) beschließen den Abend. Zu dem man nur sagen kann: Wow! Oder: Wau!