Überraschungen und eine große Palette packender Emotionen
Am vergangenen Freitagabend wurden in der Markthalle des Rathauses Steinau die Besucher Zeugen einer besonderen Premiere, vielleicht sogar einer kleinen Revolution. Angekündigt war das Musical „Immerzu Grimmig – Aufstand im Märchenland“. Geladen hatte das Brüder Grimm-Haus mit seiner Museumsleiterin Stefanie Dallmann, die in ihrer Begrüßung voller Vorfreude das Duo John Rogers und Peter Jäger vorstellte.
„Wo sonst solle eine solche Premiere stattfinden, wenn nicht im wunderschönen Steinau, welches den Brüder Grimm doch so viel bedeutete“, betonte Dallmann und fand damit große Zustimmung im Publikum.
„Ein Musical, ganz ohne Band und Ensemble? Wie sollte das funktionieren?“, frage sich sicherlich der eine oder andere Zuschauer beim Blick auf das Bühnenbild, das lediglich ein Piano, Trompete und ein Erzähler-Pult aufwies und somit eher nüchtern daherkam. Um es vorweg zu nehmen: Dieses Musical sollte eine Aufführung mit Überraschungseffekten und einer großen Palette an packenden Emotionen werden.
Das Duo Rogers und Jäger, entführte das erwartungsvolle Publikum in das Jahr 1810 – und eine kleine Zeitreise durch das Leben der Brüder Grimm begann. John Rogers übernahm mit brillanter Gestik und Mimik den Part des Erzählers, Peter Jäger spielte Piano und zog das Publikum mit seiner Stimme in den Bann.
Mit viel Hingabe und Gefühl vorgetragen, spürte der Zuhörer die Liebe der Brüder zu den Geschichten und Erzählungen. Im Laufe des Abends erfuhr das Publikum viel über die Verbundenheit der Brüder, wohnte aber auch dem ein oder anderen Zwist bei und lernte Dorothea als starke Ehefrau Wilhelms kennen.
In einer humorvoll-gespenstischen Ode wurde dem hohen Stellenwert der eigenen Muttersprache gedacht und die Brüder dazu aufgefordert, in die Geschichte einzugehen. Im Jahr der Revolution 1848 passiert etwas gänzlich Unerwartetes, brechen doch die Märchenfiguren aus den Büchern der Brüder Grimm aus und hinterlassen leere Seiten. Eine Revolution der Figuren?
Nach einer Pause wurden die Zuschauer im zweiten Teil des Musicals Zeugen eines unerwarteten Wandels der Geschichte. Charaktere der Märchen beschwerten sich lautstark auf hessisch über ihr Erscheinungsbild (Rotkäppchen: „Was mich stört an der Kapp, des is die Farb!“) und brachten das Publikum ebenso lautstark zum Lachen.
Das Publikum begegnete feministischen Prinzessinnen und grimmigen Frauen und gar dem betüddelten Hans im Glück, welcher sein Verhängnis, den Äppelwoi, besang! Für Überraschungen, ausgelassene Stimmung und Lacher sorgten Schneewittchen auf Social Media und Seetang-rauchende Stadtmusikanten.
Das Musical ging schließlich weit über den Tod der Brüder Grimm hinaus, jedoch nicht, ohne eine wichtige Botschaft zu hinterlassen: Liebe und Fantasie bleiben, solange es Geschichten und Bücher gibt.
Die Figuren landeten letztendlich im Jahr 2025 und ließen vorerst die Frage offen, wie sie in die Bücher zurückgelangen sollten. Doch nicht nur die Märchenfiguren waren aus ihren Geschichten ausgebrochen, es ist John Rogers und Peter Jäger auch gelungen, die Charaktere aus ihren zugeschriebenen Rollen zu „befreien“ und die Grimm-Märchen ein Stück weit zu revolutionieren.
Der Dank von Museumleiterin Stefanie Dallmann galt am Ende des Abends nicht nur den Künstlern, sondern auch allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Brüder Grimm-Hauses und Hausmeister Thomas Segieth, der sich innerhalb kürzester Zeit als bester Toningenieur entpuppt habe. AL

