Vom gestohlenen Mond und einem Bauern, der den Teufel überlistet

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Die Teilnehmerinnen des Workshops „Erzählen lernen im Reich der Brüder Grimm“ unter der Leitung von Margot Dernesch haben die Premiere ihres ersten öffentlichen Erzählens im Brüder-Grimm-Haus mit Bravour bestanden. Mit ihrer Freude am Erzählen und ihrer Präsenz in den von ihnen erzählten Geschichten haben sie ihr Publikum nicht nur gefesselt, sondern auch mitgenommen in das Reich der Träume. Und so war es eine kleine, feine Märchen-Veranstaltung und gleichzeitig ein großer bedeutungsvoller Abend für Zuhörer und Erzählerinnen. Dazu beigetragen haben in hervorragender Weise die Harfenklänge der Musikerin Karin Reitz aus Biebergemünd.
Von einem Bauern, der den Teufel überlistete und dadurch ein reicher Mann wurde, davon erzählte Uli Schomann aus Züntersbach. Sabine Klemm von der Ziegelhütte wusste von einer faulen Frau zu berichten, die ihren Mann geschickt hinters Licht führte, um ein bequemes Leben führen zu können. „Wer Haspelholz schlägt, der stirbt – wer Haspelholz bedient, der verdirbt“, war ihr heimlich gehauchter Zauberspruch. Von da an ließ der Mann die Frau mit dem Spinnen und Wolle herstellen in Ruhe. Ob sie heute allerdings noch in Harmonie zusammenleben, das vermochte die Erzählerin schmunzelnd nicht zu beantworten.
Dass sich der Fuchs beim Anblick einer fetten Herde Gänse sein Maul leckte, jedoch leer ausging, das haben bereits die Brüder Grimm in ihrer Märchensammlung niedergeschrieben und Cornelia Völpel aus Flörsheim-Weilbach war es mit diesem Märchen sogar gelungen, den Zuhörern das Schnattern beizubringen. Das Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel ist allen bekannt, nicht jedoch, dass der Lohn des Igels eine Flasche Branntwein und ein Goldstück war, ebenso wenig, dass der Hase mit dem Igel 74 Mal um die Wette lief. Dass einem davon die Puste ausging, davon berichtete Steffi Honikel aus Bad Soden-Salmünster.
Im letzten Märchen des Abends, erzählt von Dorothea Kaup aus Kreuzwertheim, war der Mond die zentrale Hauptfigur. Gestohlen von vier Burschen wurde er nach deren Tod mit in ihre Grabstellen gelegt und beleuchtete die Unterwelt. Von da an aber wachten die Toten auf und begannen ihr neues, erhelltes Leben in Saus und Braus zu genießen. Dies gefiel Petrus im Himmel nicht. Er sorgte schließlich für ewige Ruhe im Totenreich und platzierte den Mond für uns alle sichtbar am Firmament.
Während die genannten Märchen alle aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm stammten, erzählte Ursula Hürtle aus Schlüchtern eine Geschichte aus der Sammlung „Träumereien an französischen Kaminen“ von Volkmann Leander. Dabei ging es um eine sogenannte Altweibermühle. Wurden damals alte, schrumplige Frauen oben hinein gesteckt, dann kamen nach dem Mahlen unten frische, knackige Frauen heraus. Wer allerdings diese alte Mühle heute sucht, der muss nach Apolda reisen, denn dort soll sie einst gestanden haben.
An diesem Abend führte Margot Dernesch durch das Programm. Dabei überbrachte sie die Grüße des jetzigen Museumsleiters und Ersten Stadtrates Dietmar Broj, der sich nicht nur bei Margot Dernesch und den Erzählerinnen für die Durchführung der Veranstaltung im Brüder Grimm-Haus bedankte, sondern auch für diese Idee und das Interesse an dem Workshop. Dernesch dankte für die Zusammenarbeit mit der Stadt Steinau, ebenso dem Main-Kinzig-Kreis für die Aufnahme in das Programm des Kultursommers 2024. Selbstverständlich galt ihr persönlicher Dank den Kursteilnehmerinnen und dem an Märchen interessierten Publikum. Was wäre eine Erzählerinnen ohne Zuhörer?, war ihr Tenor.
Ihr Wunsch, Märchen lebendig zu erhalten, sie aus den Büchern heraus durch das Erzählen unsterblich werden zu lassen, ist – so ihre Aussage – an diesem Abend ein großes Stück wahr geworden. BWB