„Toxische Männlichkeit ist eine Gefahr für unser Land!“

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Zum dritten Mal organisierten die Verantwortlichen des „Tugce-Albayrak-Vereins“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Soden-Salmünster die Veranstaltung „Spessarthelden – Laufen gegen Gewalt.“
Familienmitglieder und Weggefährten von Tugce Albayrak gründeten 2015 den Verein zur Gewaltprävention in Erinnerung an die junge Lehramtsstudentin aus Bad Soden-Salmünster, die ein Jahr zuvor auf einem Parkplatz in Offenbach Zivilcourage gezeigt, und infolge eines gewalttätigen Angriffs ihr Leben verloren hatte.
Im Vorfeld des „Spessarthelden-Laufs“ hatten die Veranstalter erstmals zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Frauen und Gewalt: Eine gesellschaftliche Verantwortung“ eingeladen.
Gerade mit Blick auf die Umfrage-Ergebnisse von Plan International, wonach jeder dritte junge Mann Gewaltanwendung gegenüber seiner Partnerin befürwortet, wolle der Verein auf dieses Problem aufmerksam machen, betonte Tugces Bruder und Vereinsgründer Dogus Albayrak. Mit theaterpädagogischen Workshops an Schulen sollten Jugendliche lernen, mit Gefahr- und Konfliktsituationen umzugehen, beziehungsweise diese möglichst zu vermeiden. Es gelte, jungen Menschen entsprechende Kompetenzen mitzugeben, denn „sie sind die Träger der Gesellschaft von morgen“, sagte Dogus Albayrak im Gespräch mit der ZDF-Moderatorin Lissy Ishag, die die Podiumsdiskussion leitete.
„Gewalt gegen Frauen, Entwicklung, Perspektiven und Lösungsansätze“ thematisierten die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Leni Breymaier, Carmen Schiller vom Bundesvorstand „Terre des Femmes – Menschenrechte für die Frau“ und Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Würzburg, Dr. Ingeborg Kraus, Psychologin, Traumatherapeutin und Gründerin von „Trauma und Prostitution“ sowie Svenja Beck, Betroffene und Aktivistin.
Welches Frauenbild wird in den sozialen Medien transportiert? Seit Jugendliche durch Handys jederzeit Zugang zu pornografischen Darstellungen haben, sei Gewalt gegen Mädchen um 40 Prozent gestiegen, informierte Dr. Ingeborg Kraus. Frauen sterben durch von Männern verursachte physische und psychische Gewalt. „Die toxische Männlichkeit ist eine Gefahr für unser Land! Während Prostitution in anderen Ländern als Menschenhandel geahndet werde, signalisiere das deutsche Gesetz: „Es ist okay, eine Frau zu kaufen. Wir sind zum Bordell Europas geworden!“, befand die Psychologin.
Svenja Beck (37) hatte fünf Jahre in einer narzisstischen Missbrauchsbeziehung gelebt, ehe sie „rational erfasste, was mir passiert und die Schuld nicht mehr bei mir gesucht habe.“ Die Frauen seien in Abhängigkeit gefangen, ähnlich einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit. Psychische Gewalt, insbesondere die permanente Abwertung der Frauen, wirke nachhaltig, erläuterte Svenja Beck.
Oft würden Frauen nicht ernst genommen, landeten gar in einer Psychiatrie. Ohne Hilfe sei ein Ausstieg aus einer toxischen Beziehung schwierig. Das Umfeld müsse zuhören und aufklären, forderte die dreifache Mutter, die in einer Selbsthilfegruppe aktiv ist. Frauen brauchen Unterstützung, um den Ausstieg zu schaffen. Für diese Arbeit wünscht sie sich mehr politische und finanzielle Hilfe, denn Klinikaufenthalte seien um ein Vielfaches teurer, gab sie zu bedenken.
Leni Breymaier räumte ein, dass es zu wenige Frauenhäuser gebe, und die Frauen oft keine Hilfe erfahren, aber die Politik arbeite daran, versicherte sie. Frauenverachtende Musiktexte, Pornodarstellungen, die Reduktion der Frau auf ihren Körper in der Werbung und die Definition von Prostitution als „Selbstbestimmung“ seien für die „rückwärtige Entwicklung“ mitverantwortlich. Toxische Männlichkeit betreffe alle sozialen Schichten. Eloquente, manipulierende Männer in Anzügen seien am Ende in der Lage „bis aufs Messer um die Kinder zu streiten,“ um die Frauen zu demütigen und ihr Leben systematisch zu zerstören.
Die gesellschaftliche Verantwortung beginne bereits in der Familie, schlug Carmen Schiller vor. Eltern sollten dafür sensibilisiert werden, Jungen nicht nur für ihre Leistungen und Mädchen bevorzugt für ihr Aussehen zu loben.
Der wichtigste Schritt sei die Prävention, waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen alle einig und zeigten sich von der Arbeit des „Tugce-Albayrak-Vereins“ überzeugt.