„Die Kirche ist mein zweites Wohnzimmer“

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Schubladen taugen selten dazu, Menschen einzuordnen. Ganz und gar ungeeignet sind sie bei der Charakterisierung der neuen Katharinenmarktmeisterin. Oder wer erwartet bei einer Küsterin eine Leidenschaft für schwere Maschinen? Doch dazu später mehr.
Die Küsterin Iris Schwab ist die Frau, die dem diesjährigen Heimatfest vorsteht und ihren Beruf, einen Erwachsenenberuf, repräsentiert.
Der Lebenslauf der Katharinenmarktmeisterin 2019 ist eine 1a-Empfehlung für das Traditionsamt: Geboren an einem Katharinenmarkt-Samstag, um genau zu sein am 28. November 1964, hat sie, seitdem sie das Licht der Welt erblickte, nie ihren Heimatort verlassen, selbst die Adresse hat sich nie geändert: Bergstraße stand bereits in der Geburtsanzeige der kleinen Iris und ist ihre Anschrift bis heute. Hier in ihrem Elternhaus ist sie mit vier Geschwistern aufgewachsen.
Nach der Kindergartenzeit im Kindergarten Taunusstraße und der Grundschulzeit in der Brüder-Grimm-Schule wechselt Iris an die Stadtschule nach Schlüchtern, wo sie 1982 ihre Mittlere Reife ablegt. Bei der Commerzbank in Frankfurt erlernt sie den Beruf des Bankkaufmanns. Ja, Sie haben richtig gelesen, an eine geschlechtergerechte Sprache dachte in den 1980er Jahren in den Bankhäusern noch niemand. „Auch die Anrede ‚Fräulein‘, die auf dem Ausbildungszeugnis steht, ist ein Relikt aus dieser Zeit“, erinnert sich Iris Schwab schmunzelnd.
Die berufliche Zeit in Frankfurt beschert der Katharinenmarktmeisterin auch privates Glück. In der Bankenmetropole lernt sie ihren heutigen Ehemann kennen. 1990 geben sich Iris und Helmut das Jawort. 1991 kommt Tochter Ann-Christin zur Welt, 1993 folgen die Zwillinge Carina und Claudia.
Den Beruf der Küsterin übt Iris Schwab, die seit elf Jahren als Verwaltungsangestellte beim TÜV beschäftigt ist, nicht von ungefähr aus. Mit der evangelischen Kirche ist die 54-Jährige eng verbunden. Seit 1979, seit ihrer Konfirmation, singt sie im Kirchenchor und hat in diesen 40 Jahren sieben Chorleiter erlebt, seit 1997 gehört sie dem Kirchenvorstand an und seit 2008 wirkt sie als Küsterin, unterstützt von ihrem Bruder Thorsten, der sich hauptsächlich um die Außenanlagen kümmert.
„Ich mache das mit meinem ganzen Herzen. Die Kirche ist mein zweites Wohnzimmer“, unterstreicht Iris Schwab die große Bedeutung, die diese Tätigkeit für sie hat. Die Aufgaben der Küsterin sind vielfältig und zahlreich, allein deshalb, weil zur evangelischen Gemeinde der Grimmstadt die Reinhardskirche und die Katharinenkirche in Steinau sowie die Bergkirche in Seidenroth gehören. So ist Iris Schwab diejenige, die die Türen zu den Gottesdiensten aufschließt und diejenige, die die Lichter löscht und die Kirche als Letzte verlässt. Sie sorgt für frische Blumen auf dem Altar, kümmert sich um das zum Kirchenjahr passende Parament, schlägt die Lieder an, die in den Gottesdiensten gesungen werden, teilt Gesangbücher aus, reicht den Klingelbeutel durch die Reihen der Gottesdienstbesucher, bereitet alles für das Abendmahl vor, schmückt das Taufbecken, läutet die Glocken. Alle diese Arbeiten und einige mehr beschreibt Iris Schwab mit der bescheidenen Bemerkung: „Als Küsterin sorge ich für das äußere Erscheinungsbild der Kirchengemeinde.“ Unterstützung erfährt die Ur-Steinauerin von ihrem Ehemann und ihren drei Töchtern, auch ihre 84-jährige Mutter ist zur Stelle, wenn Hilfe nötig ist.
„Was die Gottesdienste angeht, bin ich konservativ. Gerne mag ich die Regelgottesdienste“, bekennt die Katharinenmarktmeisterin. Und fügt hinzu: „Die Osternacht und der 22-Uhr-Gottesdienst an Heiligabend berühren mich am meisten.“
In vielen Gottesdiensten wirkt Iris Schwab auch als Lektorin, nicht nur in ihrer Heimatgemeinde, auch in Ramholz, Elm, Hutten, Schlüchtern und Niederzell hat sie schon Gottesdienste gehalten. „Viele Jahre beschäftigte mich die Frage, warum Pfarrer Heinz Kohl, der mich konfirmiert hat, ausgerechnet den Konfirmationsspruch ‚Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun‘ für mich auswählte. Als ich 2009 meine Lektorenausbildung begann, erhielt ich die Antwort.“ Pfarrer Kohl habe wohl damals schon erkannt, wohin der Weg der jungen Konfirmandin führen würde.
Um auf die Begeisterung von Iris Schwab für schwere Maschinen zurück zu kommen: Zu ihren Hobbys zählt das Motorradfahren, eine Leidenschaft, die sie mit ihrer Familie teilt. Gerne erinnert sie sich an Motorrad-Urlaube mit Ehemann und den Töchtern. Übrigens: Den Motorradführerschein hat sie mit 42 Jahren gemacht!
„Das Skifahren ist auch ein Familienhobby“, erzählt die dreifache Mutter. Sie selbst zieht im Sommer täglich ihre Bahnen im Steinauer Schwimmbad und singt seit 1998 im GrimmMischChor, dessen Vorstand sie seit dem Jahr 2000 angehört. Als Sängerin gehört Iris Schwab auch zu Sweet Viala, einer Frauen-a-cappella-Gruppe, deren Gründungsmitglied sie auch ist.
Auf die Zukunft der Kirche angesprochen, sagt die Katharinenmarktmeisterin, sie wünsche sich, dass die Menschen mehr Mut haben, Christ zu sein, denn „Kirche ist das, was Menschen daraus machen“.
Im letzten Gemeindebrief, in dem sich die Kandidaten für die Kirchenvorstandswahl vorstellten, schreibt Iris Schwab: „Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels spüren wir alle, daher ist für mich Kirche ein selbstverständlicher und wichtiger Bestandteil unseres Gemeinwesens. In diesen Zeiten, in denen die Welt in großer Unruhe ist, brauchen wir Vergewisserung in unserem christlichen Glauben. Dazu sollten wir mehr Mut haben und dies auch zeigen.“