Open-Air-Kino als großartiges Naturerlebnis

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Es war, als würde die Leinwand mit ihrer Umgebung verschmelzen und sich das Geschehen gerade hier und jetzt, im Augenblick, abspielen. Spektakuläre Nahaufnahmen des Mikrokosmos sind heute alltäglich geworden – es ist das Filmerlebnis in der natürlichen Umgebung, die Dramaturgie des Films selbst, die aus dem Abend ein tiefes, nachhaltiges Erlebnis werden lassen, das Mut zum Umdenken und zu bewussterem Handeln macht.
Der Film „Die Wiese“ beginnt mit einem Schuss, der nicht nur das Reh, das aus dem Wald tritt, sondern auch den Zuschauer aufschrecken lässt. Immer mehr Schüsse folgen – schließlich aber ist es nicht der Jäger, der Jagd auf das Reh macht, sondern ein Pilz aus der Verwandtschaft der Kugelschneller, der seine Sporen mit solcher Energie in die Luft schießt, dass man die Treffer am nächsten Blatt hören kann.
Bild und Ton gehen in diesem besonderen Kinofilm eine einzigartige Symbiose ein. Symphonische Musik im Hintergrund begleitet den kompetenten Erzähler und die beeindruckenden Hauptdarsteller des Films: die vielfältige Insekten- und Tierwelt im Lebensraum Wiese. So ist den meisten als Schrecke eigentlich nur die gemeine Heuschrecke bekannt, doch es gibt 100 verschiedene Schrecken in einer „echten“ Wiese, darunter die Sichelschrecke, die Säbelschrecke, die Langfühlerschrecke. Gemeinsam stimmen sie ein Konzert an, hörbar gemacht für den Zuschauer, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt und für sich diesen unschätzbaren Naturraum neu entdeckt.
Regisseur Jan Haft nutzt alle modernen Kameratechniken, von Drohnen und Schienenfahrten über Zeitraffer bis hin zu Zeitlupen. Neu ist seine Erzählung vieler kleiner Dramen, gekonnt verflochten mit dem großen Spannungsbogen. Da ist im Kleinen etwa die Episode der Wiesenbrüter. Der Nachwuchs von Brachvogel und Feldlerche kann nur gut getarnt im Wiesendickicht überleben. Doch nun droht die Tarnung zum Verhängnis zu werden. Das Publikum spürt die Todesangst angesichts der langsam anlaufenden Messer gewaltiger Mähmaschinen und ist erleichtert über die Hilfe aus dem Himmel: Blitz und Donner.
Aber einmal im Frühjahr, doch nicht zu früh, muss gemäht werden, ansonsten verschwinden die von Menschen gemachten Waldlichtungen. Nun auf gut überschaubarer Fläche hat die Füchsin leichte Beute und kann mit neun gefangenen Mäusen gleichzeitig im Maul ihre frisch geworfenen Jungfüchse im Bau satt bekommen. Der Mensch – so Regisseur Haft – hat es in der Hand, diesen Lebensraum durch extensive Bewirtschaftung zu erhalten. Gülle, die einst an Nährstoffen zurückgab, was man der Fläche genommen hatte, ertränkt heute die Wiesen. Aktueller denn je – in der Diskussion um die Klimaerwärmung und den CO2-Ausstoß – ist jetzt die Politik gefragt, den „Turnaround“ im Einklang mit landwirtschaftlicher Nutzung durch die Bauern zu erreichen. Und so ist es nur konsequent, dass dieser Abend den Auftakt bildete zu dem anschließenden Fest der Ökologischen Landwirtschaft in Breitenbach am Sonntag.
Das Kuki hat mit diesem Abend nochmal einen echten Knaller in Sachen Open-Air-Kino „Kuki On Tour“ hingelegt. Es musste einiges vorbereitet werden, um Büttners Wiese auf dem Weg zum Bühl „kinotauglich“ zu machen. „Das macht man nicht jeden Tag und war noch einmal eine besondere Herausforderung für das Kuki-Team“, so Hanspeter Haeseler – gerade dabei, die Leinwand in dem natürlichen Gefälle mit 16 Europaletten so abzustützen, dass diese in die Waagerechte und Stabilität kommt.
Allein 200 Meter Starkstromkabel mussten verlegt und abgesichert werden; dem Elektrofachbetrieb Albinger gilt hier der besondere Dank der Veranstalter in der Begrüßungsansprache. Und er floss zuverlässig, der Strom, einschließlich eines hervorragenden Tons und des brillanten bewegten Bildes, das auf der riesigen Air-Screen-Leinwand eingefangen wurde. Die Breitenbacher Landfrauen erfreuten die Besucher mit leckeren Kräuterbutterbroten, das Kuki hielt heiße Gemüsesuppe und wärmenden Apfelsaft bereit, auf Wunsch konnten die mitgebrachten Wärmflaschen gefüllt werden, am Einlass gab es Liegestühle und kuschelige Decken.
Aber, mag es an dem spannenden Filmerlebnis gelegen haben oder auch an dem relativ milden Abend ohne die gefürchteten Kältegrade. Es wurde nicht zu kühl und ein würdiger Abschied vom Spätsommer-Open-Air-Kino. Die zahlreichen Zuschauer dankten es mit einem kräftigen, lang anhaltenden Schlussapplaus, und manch einer wird sich in einer neuen Liebeserklärung an sein Paradies nebenan – der Wiese seiner unmittelbaren Umgebung mit neuer Sorgfalt annehmen.