Generationsübergreifendes Wir-Gefühl

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Das Symposium zum Hellen Markt „Schlüchtern – Die Drei-Generationen-Region“ hat am Freitagabend knapp 200 Gäste in der Stadthalle in seinen Bann gezogen.
Witzig und charmant moderierte der Autor und Produzent Achim Winter eine spannende Expertenrunde mit dem Zukunftskommunikator Steffen Ball, dem IT-Sicherheitsspezialisten Benjamin Kunz Mejri und den beiden Ironman-Finishern Dr. Günther Scheibehenne und Rafael Ruppel.
„Es gibt ein natürliches Heimweh nach Ruhe und Familie, wenn man 25 Jahre hip war. Wenn alles ausgerichtet ist, geht man als Hipster heim oder weil man die Miete in den Großstädten nicht mehr zahlen kann“, meinte der Moderator. Doch was zieht die Generation Global in den Bergwinkel? Was hält die jungen Leute in Schlüchtern? „Schlüchtern ist auf dem Weg. Man spürt die Dynamik in der mutigen Stadtentwicklung“, sagte Axel Ruppert, Vorsitzender des Vereins für Wirtschaft und Tourismus. „Wir müssen immer wieder in den Dialog kommen wie bei der Aktion ‚Frag doch die Stadt‘, Ziele im Auge behalten und Schwung machen.“ Ruppert war froh, beim Symposium „Leute von außen da zu haben, die Werte sehen, die wir durch unsere Brille nicht sehen.“
Wie Stadtentwickler Steffen Ball, der dem Mittelzentrum Schlüchtern bescheinigte, mit einer starken Kernstadt und starken Stadtteilen auf einem guten Weg sei, sich selbstbewusst für die Zukunft aufzustellen. „Hier gibt es Bürger und nicht nur Bewohner. Schlüchtern ist ein Kleinod“, betonte der Heusenstammer, der in seinem Unternehmen die Megatrends in den Metropolen der Welt abbildet, um sie auf die hessischen Städte und Gemeinden runter zu brechen. Steffen Ball sprach von der Generation Global, der Erlebnisse wichtiger seien als Besitz. „Diese Generation reist durch die Welt, ist risikobereit und auf die Zukunft ausgerichtet. Dies lässt sich auf die mutige Stadtentwicklung Schlüchterns übertragen.“ Für eine tragfähige Zukunft brauche man Pioniergeist. „Was zählt ist der politische Wille, etwas besser zu machen. Schlüchtern stellt sich den Herausforderungen und sitzt Probleme nicht aus.“
Der Zukunftsforscher ist davon überzeugt, dass ein generationenübergreifendes Wir-Gefühl auf dem Land besser entwickelt werden könne als in der Stadt. „Die Wir-Kultur ist von zentraler Bedeutung für die Attraktivität eines Ortes.“
Zur Generation Global zählt der 35-jährige Benjamin Kunz Mejri, den Moderator Achim Winter als den gefährlichsten Hacker, der auf der Welt rumlaufe, vorstellte. Vor einem guten Jahr hatte Mejri in Kooperation mit Microsoft eine als kritisch eingestufte Sicherheitslücke in Skype veröffentlicht. Vor fünf Jahren hatte er auf eine Sicherheitslücke aufmerksam gemacht, die es ermöglichte bei Apple iOS V6 die Passcode-Sicherheitsfunktion zu umgehen. „Microsoft oder Paypal zahlen inzwischen hohe Summen für Sicherheitslücken, die mein Kasseler Unternehmen aufdeckt. Nur für eine Firma zu arbeiten, kommt für mich nicht infrage. Dann verliere ich meine Neutralität“, berichtete der Sicherheitsspezialist. Er wolle sein Wissen hier in der Region halten. „In Nord- und Osthessen gibt es wenig Datenverständnis. Ich versuche Behörden zu sensibilisieren und mein Wissen zu vermitteln.“
Das besondere Glücksgefühl, beim Ironman auf Hawaii ins Ziel zu kommen, beschrieben der 71-jährige Dr. Günther Scheibehenne aus Marburg und der halb so alte Rafael Ruppel aus Schlüchtern im Gespräch mit Achim Winter. Und beide wollen noch einmal dabei sein, Ruppel in einem Jahr, Scheibehenne, wenn er 75 ist. Großen Respekt zollte der Marburger dem Schlüchterner Triathleten. „Trotz einer 20-minütigen Reifenpanne hat Rafael die 180 Kilometer auf dem Rad mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 37 Stundenkilometern absolviert. Das ist einfach sensationell.“
Ein folkloristisches Verhältnis zur Heimat hat die Tanzgruppe Artodance. Nach einer Komposition von Lasse Thoressen und der Choregraphie von Monica Opsahl tanzten Julie Opsahl, Miriam Kreß, Meline Gottwald und Maren Opsahl „Past and Generation Next“. Es müsse sich noch viel im Bergwinkel bewegen, dass die Region nicht die Generation Next verliere., so die Ballettlehrerin. „Wenn du von außen schaust, siehst du die Konflikte. Der Wille zu verändern ist da. Wir müssen etwas von der Tradition abgeben.“ Die jungen Tänzerinnen bräuchten in Schlüchtern eine Plattform für ihre starke künstlerische Ausdrucksfähigkeit. „Wir müssen eine attraktive Generation Next sein und einen Weg in die Zukunft finden“, so das Credo der Kulturpreisträgerin. Musikalisch umrahmte die Big Band Route 66 die Veranstaltung.