Was bewegt die Franzosen und Italiener? Wie erleben die Russen ihren Alltag? Worüber schmunzeln eigentlich die Briten? Und worüber diskutieren die Schweden? Das 7. Europäische Festival des Kuki vom 16. bis 27. Juli lädt wieder ein zu einem cineastischen Streifzug durch unsere Nachbarländer, bei dem es viel zu entdecken gibt.
In der heutigen Ausgabe stellen wir Ihnen die Filmländer Russland, Italien und Schweden mit ihren Beiträgen vor.
Als Anfang der Neunzigerjahre die Sowjetunion zusammenbrach, bedeutete dies für die traditionsreiche russische Filmindustrie einen tiefen Einschnitt. Glücklicherweise erholte sich das russische Kino relativ schnell, und schon bald eroberten junge russische Filmemacher, oft inspiriert vom großen Andrei Tarkowski, die internationalen Festivals. Zu ihnen zählt auch Andrej Swjaginzew, der mit „Levithan“ berühmt wurde. Im Festival des Kuki präsentiert er sein realistisches Beziehungstück „Loveless, das in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ für den Oscar 2018 nominiert wurde, weil es ein universelles Thema vieler Gesellschaften berührt.
„Loveless“ scheint auf den ersten Blick ein gewöhnliches Familiendrama zu sein, doch es steckt viel mehr darin. Ein junges Paar aus der gehobenen Mittelschicht steht am Rande einer Scheidung. Beide haben erfolgreiche Liebhaber. Sie wollen ihren Sohn in ein Waisenhaus geben, vergessen diese Entscheidung aber am nächsten Tag bereits wieder, weil sie zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind. Doch der Junge verschwindet. Es beginnt ein spannender Psychothriller, der zeigt, was passiert, wenn Eltern nur sich und ihr eigenes materielles Fortkommen im Auge haben. „Loveless“ ist eine ebenso eindrucksvolle wie schmerzhafte Parabel auf das heutige Russland.
Aus dem Europa am Mittelmeer kommt der schwebend schöne Oscargewinner „Call Me by Your Name“. Der Schauplatz ist Italien, wie man es sich vorstellt. In den Cafés trinken alte Männer Espresso, Fahrräder rattern über die gepflasterten Straßen in Richtung Dom, zwei Damen schlendern in schönen Schuhen an Schaufenstern vorbei, die noch mehr schöne Schuhe anbieten. In den Scheiben spiegelt sich das milde Sonnenlicht, das es nur hier gibt, südlich der Alpen. Regisseur Luca Guadagninos hat den Film in einer lombardischen Stadt rund eine Autostunde südöstlich von Mailand gedreht. Während der 17-jährige Elio Bücher liest und klassische Musik hört, erforscht sein Vater, ein emeritierter Professor, antike Statuen. Dazu hat er den 24-jährigen Studenten Oliver aus Amerika eingeladen. Zunächst reagiert Elio frostig auf den charmanten Neuankömmling, doch dann wächst zwischen den beiden eine zarte erotische Beziehung. Die Romanverfilmung lässt entfernt Erinnerungen an einen modernen „Tod in Venedig“ aufkommen, ist aber weit weniger am offensichtlichen Drama interessiert.
Über die samische Kultur wird nur selten im Kino erzählt. Amanda Kernell widmet sich in ihrem Coming-of-Age-Film „Das Mädchen aus dem Norden“ nun einer Jugendlichen, die im Schweden der 1930er Jahre mit 14 Jahren erkennt, dass sie sich selbst verleugnen muss, um einen eigenen Weg im Leben zu finden.
Die angehende Rentierzüchterin Elle Marja besucht mit ihrer Schwester die Internatsschule in Lappland. Sie gehört dem Volk der Samen an, deren Alltag von Vorurteilen und Ausgrenzung geprägt ist. Elle Marja bemüht sich um die Anerkennung ihrer Lehrerin in der Hoffnung, so ihrem Traum von einem freien Leben näher zu kommen. Als an der Schule erniedrigende, rassen-biologische Untersuchungen durchgeführt werden, entscheidet sie sich für einen radikalen Schritt: Das intelligente, willensstarke und rebellische Mädchen bricht mit ihrer Familie und macht sich auf den Weg nach Uppsala. Die Regisseurin Amanda Kernell nähert sich in „Das Mädchen aus dem Norden“ dem in Schweden tabuisierten Thema Rassismus. Auch ihr Vater stammt aus einer Familie von samischen Rentierhütern.
Im nächsten und letzten Teil unseres Streifzugs anlässlich des europäischen Filmfestivals des Kuki durch die europäischen Filmländer geht es um die aktuellen Beiträge der deutschen Regisseure Andreas Dresen, Christian Petzold, Josef Bierbichler, und der deutsch-französisch-iranischen Regisseurin Emily Atef.
Alle Termine und Filme des 7. Europäischen Filmfestivals si unter www.kukikino.de zu finden. Tickets gibt es ebenfalls online oder hier: Ticketshop der Kinzigtal Nachrichten in Schlüchtern, Hölzer Kommunikation in Sterbfritz, Buchhandlung „Dichtung und Wahrheit“ in Wächtersbach, Tegut-Markt in Flieden sowie an der Kuki-Abendkasse (geöffnet 45 Minuten vor Veranstaltungsbeginn). Weitere Infos unter Service-Telefon (0 66 61) 608-410, täglich von 14 bis 18 Uhr.