Willkommener Ausstieg aus der Realität

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Raufereien mit Schwert und Schild, eine Feldschlacht mit zwei Dutzenden Vasallen und Lehnsmännern und eine atemberaubende Feuershow haben am vergangenen Wochenende Tausende in der Brüder-Grimm-Stadt Steinau fasziniert. Das Schloss lieferte die historische Kulisse für das achte Mittelalterspektakel der Trimburger Ritterschaft.
Da war nicht immer alles so authentisch wie bei einem der Ritter, der bei der Eroberung der Burg in die Bresche sprang und durch eine 60 Kilogramm schwere Panzerrüstung geschützt war. Gut eine halbe Stunde hatte es gedauert, bis er sein „Stechzeug“ mit Hilfe eines Knappen angelegt hatte.
Mittelalter zu leben hatte in Steinau viele Facetten. In den Kinzigwiesen vor der Stadtmauer entführten 40 Lagergruppen die Besucher in den mittelalterlichen Alltag. Reges Markttreiben mit Händlern und Handwerkern herrschte auf dem Kumpen, dem Schlosshof und dem Hirschgraben. Wie es damals Brauch und Sitte war, mischten sich Gaukler, Wahrsager, Ablassprediger und die Spielleute unters Volk.
„Das Mittelalter war nur für den Hochadel ein Zuckerschlecken“, betonte Lederer Paul Kinsberger und pries Schuhe und Taschen aus Rindsleder an. „Die Schuhe waren früher aus Ziegenleder. Denn eine Kuh war so teuer wie ein ganzes Dorf. Die Ziege warf zwei Junge. Das gab zwei Paar Schuhe.“ Für ein Schwert hätte ein Leibeigener sein Leben lang schuften müssen.
„Ja so warn‘s die alten Rittersleut‘“, sangen dagegen die Spielleute von Taranis. Wohlwissend, dass das Mittelalterleben für die Bauern beschwerlich, ja grausam war und nichts mit herrlichen Burgen, tapferen Rittern und schönen Burgfräuleins zu tun hatte.
Das Lagerleben ist für die Darsteller meist ein willkommener Ausstieg aus der Realität. Wie für den Grafen zu Mollenberch, der auf der Reise mit seinem weiblichen Gefolge ins Damenstift in der Märchenstadt einen Zwischenstopp einlegte. „Man entspannt, schaltet ab und sogar das Smartphone aus.“
Im Hirschgraben fühlte sich auch Andreas Mann aus Neustadt wohl. „Der Steinauer Mittelaltermarkt ist nicht so überlaufen. Hier kennt man sich.“ Andreas Mann lagert seit drei Jahren mit der Sippe des Fenris und hatte seine Bogenbahn für Kinder aufgebaut. Die Jüngsten bespaßten auch William der Zauberer, Falkner Ambros und Walter Rath mit seinem Mäuseroulette.
Für Benny Weiß aus Gießen, der diesmal ohne seine Schlangen auftrat, überstrahlt Steinau mit seinem Ambiente so manch anderen Mittelaltermarkt. „Sababurg und Ronneburg können da nicht mithalten.“ Und er war mit seiner Einschätzung nicht allein. „Der Markt ist liebevoll gestaltet, alles ist gut organisiert. Hier macht es Spaß aufzutreten“, meinte der musikalische Räuberhaufen „Donnerkeil“ aus dem Spessart.
Und morgen werden die Spielleute ebenso brav zur Arbeit gehen wie die Tänzerinnen von „Y damhsa doiterain“ oder das Volk zu Copperno. Veranstalter Reinhold Wahler darf zufrieden sein. Die Mittelalterszene wächst und der Steinauer Markt entfaltet seine Leuchtkraft.