Der rote Teppich ist ausgerollt für das Europäisches Filmfestival des Kuki. Nachdem in den vergangenen Ausgaben bereits die Filmländer Frankreich, Italien, Ungarn, Großbritannien, Schweden, Russland näher beleuchtet wurden, liegt heute der Fokus auf Deutschland, das mit drei deutschen und einem bayrisch colorierten Beitrag an den Start geht.
Wie schauen die heimischen Filmemacher auf die Welt? Derzeit verschieben sich die Perspektiven auf das, was in und um uns geschieht. Das Kino ist dabei weiterhin ein zentrales, bildmächtiges Medium, um das Scheinwerferlicht auf schwelende Konflikte zu richten, aber auch auf die europäische Vergangenheit und Auswirkungen der großen Politik aufs Leben.
Josef Bierbichler ist ein Unikum – ein kreativer Querkopf, der sich jeder Schublade verweigert. Mit seiner Regiearbeit „Zwei Herren im Anzug“ hat das bayerische Schauspiel-Urgestein („Im Winter ein Jahr“, „Hierankl“, „Herz aus Glas“) eine eigenwillige, wuchtige und rigorose Heimat-Saga in betörend schönen Bildern vorgelegt, die auf seinem autobiografisch gefärbten Romandebüt „Mittelreich“ basiert.
Sommer 1984, ein bayerisches Gasthaus am See: Der Wirt und Bauer Pankraz (Josef Bierbichler) und sein erwachsener Sohn Semi (Simon Donatz) haben soeben Pankraz‘ Frau und Semis Mutter Theres (Martina Gedeck) zu Grabe getragen, der Leichenschmaus ist vorbei. Zusammen sitzen sie in ihrer Gaststätte und lassen die Familiengeschichte Revue passieren. Sie unterhalten sich über die beiden Weltkriege, über die Besatzung durch die Alliierten, über den geschäftlichen Aufschwung während der Wirtschaftswunderjahre, den Kalten Krieg und die Studentenunruhen.
Dabei geht es um die Auswirkungen der großen Politik aufs Leben. Die Gewalt, die Verbrechen des 20. Jahrhunderts werden aus der ländlichen Perspektive betrachtet. Es geht um die Auswirkungen, die große Politik auf ein Leben hat, das sich an Jahreszeiten orientiert und in dem die Kinder weitermachen müssen, was ihre Eltern angefangen haben.
Von den über 200 Filmen, die jedes Jahr hierzulande gedreht werden, sorgen einige auch international für Aufsehen. Das gilt beispielsweise für Christian Petzolds atemberaubende, hochkomplexe Literaturadaption „Transit“ über Flucht im Europa der Gegenwart und Vergangenheit, frei nach dem Roman von Anna Seghers. Sie begeistert die Kritiker weltweit. „Ein Film, der einen nicht mehr loslässt“, urteilt „The Hollywood News“. Und „The Hollywood Reporter“ lobt den glänzend aufspielenden Hauptdarsteller: „Franz Rogowski ist die perfekte Besetzung, intensiv und hypnotisierend, geheimnisvoll und faszinierend.“ Der Deutsche Georg (Rogowski) flüchtet vor den Faschisten und entkommt im letzten Moment nach Marseille. Doch dort darf nur bleiben, wer beweist, dass er wieder gehen wird. Auf der Zwischenstation trifft er auf die geheimnisvolle Maria (Paula Beer) und nimmt eine fremde Identität an, um Schiffspapiere nach Mexiko zu erhalten.
Zu den interessantesten Filmemachern zählt die in Berlin lebende, deutsch-französisch-iranische Regisseurin und Autorin Emily Atef. In ihrem fabelhaftes, vielfach ausgezeichnetes Romy-Schneider-Porträt „3 Tage in Quiberon“ spielt der weiblich Blick eine Hauptrolle. Im Jahr 1981 ist Romy Schneider (Marie Bäumer) eine der berühmtesten Schauspielerinnen der Welt. Um vor ihrem nächsten Filmprojekt ein wenig zur Ruhe zu kommen, gönnt sie sich mit ihrer besten Freundin Hilde (Birgit Minichmayr) drei Tage Auszeit in dem bretonischen Kurort Quiberon – das ist zumindest der Plan
Denn mit der Ruhe ist es schnell vorbei, als Schneider trotz ihrer schlechten Erfahrungen mit der deutschen Presse einem Interview mit dem Stern zustimmt. Schon bald treffen der Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) und der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner) in Quiberon ein. Zwischen den Vieren entspinnt sich ein nervenaufreibendes Psychoduell, das sich über die kompletten drei Tage hinzieht und für alle Beteiligten eine echte Belastungsprobe ist. Das Interview wird legendär… Robert Lebecks Bilder von Romy Schneider gingen um die Welt. Sie fangen das widersprüchliche Wesen der Schauspielerin ein, ihre Ausgelassenheit, ihre Melancholie.
Regisseur Andreas Dresen („Halbe Treppe“, „Sommer vorm Balkon“, „Halt auf freier Strecke“) zählt zweifellos zu den talentiertesten und renommiertesten deutschen Filmemachern unserer Zeit. Auf Einladung des Kuki wird er seinen neuesten Kinofilm „Gundermann“ zehn Tage vor Bundesstart im Bergwinkel exklusiv präsentieren – mit den Darstellern ist er auf großer Premieren- und Konzerttour,um Gundermann mit Livemusik persönlich vorstellen. Am 14. August gastiert er mit einem Open-Air-Konzert mit Band und Hauptdarsteller Alexander Scheer in Steinau am Kumpen/Theatrium, bei Regen in der Katharinenkirche.
Vor einem Jahr sang sich die Band um Andreas Dresen mit Songs von Gundermann bereits in einer ausverkauften Stadthalle in die Schlüchterner Herzen, mit dem unvergesslichen Konzert unter Mitwirkung von Axel Prahl, das die Gundermann-Songs in den Mittelpunkt rückte.
Dresen erzählt in seinem neuen Film aus dem rastlosen und intensiven Leben der ostdeutschen Singer-/Songwriter-Legende Gerhard Gundermann (1955-1998).
In der DDR gehört Gerhard Gundermann, in dessen Liedern meist ein melancholischer Unterton mitschwingt, zu den populärsten Künstlern seiner Zeit. 1994 ging Gundermann mit Bob Dylan und Joan Baez auf Konzerttournee und bekam 1995 und 1997 den Preis der deutschen Schallplattenkritik verliehen. Regisseur Andreas Dresen legt mit „Gundermann“ einen Film vor, der tief berührt, mit einem Soundtrack, der unter die Haut geht. „Gundermann“ erzählt vom Leben dieses Vollblutkünstlers, der 1998, mit gerade einmal 43 Jahren, starb.
Tickets für alle Filme sind online unter www.kukikino.de oder hier erhältlich: Ticketshop der Kinzigtal Nachrichten in Schlüchtern, Hölzer Kommunikation in Sterbfritz, Buchhandlung „Dichtung und Wahrheit“ in Wächtersbach sowie an der Kuki-Abendkasse (geöffnet 45 Minuten vor Veranstaltungsbeginn). Weitere Infos unter Service-Telefon (0 66 61) 608-410, täglich von 14 bis 18 Uhr.