Ein fesselnder und charismatischer Erzähler
„Arzt zu werden ist mir nicht an der Wiege gesungen worden“, bekannte der einem Millionenpublikum bekannte Tatort-Schauspieler Joe Bausch bei seinem Auftritt in der restlos ausverkauften Katharinenkirche in Steinau.
Der Arzt, Schauspieler und Autor, der auf Einladung von Bestattungen Ruppel in die Brüder-Grimm-Stadt gekommen war, spielte mit diesem Satz auf seine von Gewalt und Demütigung geprägte Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof im Westerwald an. Tiefere Einblicke in seine beeindruckende Biografie, die im vergangenen Jahr mit dem Titel „Verrücktes Blut“ als Buch erschienen ist, gab Bausch zum Ausklang seiner Lesung.
Doch zuvor erlebten die Besucherinnen und Besucher Joe Bausch mehr als zwei Stunden lang als einen fesselnden und charismatischen Erzähler, der ungeschönt von seiner jahrzehntelangen Arbeit als Arzt in einem der größten Gefängnisse Deutschlands berichtete. In seiner Tätigkeit erlebte er die zweite Generation der RAF-Gefangenen im Hungerstreik, hochbetagte Nazi-Verbrecher ohne Unrechtsbewusstsein, die ersten HIV-positiven Insassen, die hinter Gefängnismauern substituiert worden seien, Kindersoldaten aus Sierra Leone und junge Männer aus Afghanistan, die in ihrer Heimat Entsetzliches erlebt hätten. Er, der bereits vor 20 Jahren die Legalisierung von Cannabis befürwortet habe, sagte:„Die haben jeden Grund jede Droge zu nehmen.“
Im Rückblick auf seine Zeit auf der Frauenstation gestand Bausch: „Ich bin nie wieder so oft hinter die Fichte geführt worden wie da.“ Angesichts der Tatsache, das von knapp 60.000 Strafgefangenen deutschlandweit nur fünf Prozent weiblich seien, habe er sich stets die Frage gestellt, ob Frauen die besseren Menschen oder schlicht cleverer in der Ausübung einer Straftat seien. Für eine seiner Erkenntnisse hatte der 72-Jährige ein anschauliches Bild parat:„Frauen morden wie sie einen Kindergeburtstag organisieren.“ Und sie töteten aus anderen Gründen als Männer: „Männer morden, damit die Frau sie nicht verlässt. Frauen morden, um den Mann loszuwerden. Ein signifikanter Unterschied“, so seine lakonische Schlussfolgerung. An die Männer im Publikum – übrigens an diesem Abend deutlich in der Unterzahl – richtete er den Rat: „Wenn Sie eine Frau haben, die Ihnen ein schönes Leben macht, dann danken Sie dem lieben Gott.“
Zeit seines Berufslebens habe ihn „nicht das Verbrechen fasziniert, sondern das, was aus einem Menschen einen Verbrecher macht. Was macht einen Menschen böse?“. Eine eindeutige Antwort blieb Joe Bausch schuldig – vermutlich weil es sie nicht gibt.
Für sich selbst könne er drei Dinge benennen, weshalb er „am richtigen Ende der Geschichte rausgekommen ist“: Die Bereitschaft, Verantwortung zu trage, gepaart mit einem großen Wissensdurst, habe zu einem Gewissen geführt, das ihn den schmalen Grat, der Gut und Böse trenne, nicht habe überschreiten lassen.
Zum Ende des Abends gab der Mediziner seiner Biografie Raum, berichtete von „prügelnden Autoritäten: Eltern. Lehrer, Priester“, schlimmsten Demütigungen durch den Vater und traumatischen Erlebnissen. Mit dem Lesen einer „ikonischen Szene“ aus dem letzten Buchkapitel „Abschied“ endete ein Abend mit einem facettenreichen Menschen, der sich zuweilen tief in die Seele blicken ließ. Mit großem Applaus bekräftigte das Publikum das Versprechen von Christoph Kremer von Bestattungen Ruppel, dieser Abend werde nicht der letzte seiner Art sein.

