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„Was macht eigentlich Ella Späte?“, fragen die Leute, wenn die Mitbetreiberin des Theatriums Steinau und Kulturpreisträgerin des Main-Kinzig-Kreises wieder einmal „unterwegs“ ist.
Denn manchmal sitzt sie vor dem Steinauer Marstall in der Sonne und näht Rattenschwänze oder plant auf der Bühne den Schauplatz für „Don Camillo“. Doch oft ist sie auch bundesweit als Bühnen- und Kostümbildnerin unterwegs. Sie fühlt sich dadurch nicht hin- und hergerissen, sondern freut sich auf die Abwechslung vom Leben im Bergwinkel.
Derzeit hat sie die Komplettausstattung für das Shakespeare’sche Bühnenspiel „Richard III“ übernommen, das am 21. September Premiere im Theater Plauen/Zwickau haben wird. Das Besondere der Inszenierung ist, dass mit fast lebensgroßen Puppen gearbeitet wird. Den sechs menschlichen Schauspielerinnen werden gut 50 – von Späte entworfene – Figuren gegenübergestellt. Die verkörpern beispielsweise Massenszenen, doch 15 von ihnen haben sogar Namen und Rollen. Alle diese Gestalten werden von zwei Puppenspielerinnen geführt.
Die weißen eigenartigen Wesen haben eine verfremdende Wirkung, sie erzeugen eine surreale und traumartige Stimmung. Da das Werk des britischen Dramatikers recht brutal ist, manche Szenen sind gar nicht darstellbar, darf durchaus auch mal eine künstliche Figur „geschlachtet“ werden.
Für ein makabres Foto zieht Späte einer Puppe die Gedärme heraus, das ist – ganz im Geist von Shakespeare – derb komisch und schauerlich zugleich. Bereits vor längerer Zeit fertigte sie in der Steinauer Werkstatt die Modelle für das Bühnenbild. Bis vor kurzem arbeitete sie mit der Figurengestalterin Lisa Böll aus München im Atelier an ihren Geschöpfen. Sie ist stolz auf ihr kreatives Trio, dem auch die Modedesignerin Esther Melhorn aus Berlin angehört. Kurz bevor sie die fertigen Gestalten in ihr Auto packt, lädt sie noch schnell zu einem Fototermin.
Als sie 2017 mit Detlef Heinichen das Steinauer Theatrium im Herzen der Stadt übernahm, hatte sie bereits vorher zwei Jahre lang bei den Hersfelder Festspielen als Kostümdirektorin gearbeitet, übrigens auch ihre erwachsene Tochter als Maskenbildnerin. Und sie war an weiteren ost- und westdeutschen Theater- und Opernhäusern kreativ tätig.
In den 1980er-Jahren studierte Späte an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Dresden und wurde Diplom-Bühnen- und Kostümbildnerin. Sie durchlief alle Abteilungen des Theaters, ebenfalls das in der ehemaligen DDR sehr angesehenen Puppenspiel.
Dort lernte sie auch Heinichen kennen. „Damals dachte ich, den hole ich mir später,“ erzählt sie und lacht, aber es dauerte noch zwei Jahrzehnte bis die beiden zusammenkamen und ein Paar wurden. Denn Heinichen wurde aus der DDR ausgebürgert und kam erst viel später nach Dresden zurück. Seit 2015 sind die beiden verheiratet.
Die vielseitige Künstlerin arbeitet nicht nur als Planerin und Entwerferin an großen deutschen Bühnen oder gibt Unterricht, sondern sie ist auch bei der Produktion historischer Filme gefragt. Oder sie unterstützt Museen bei der dreidimensionalen Rekonstruktion historischer Figuren.
Zum Schluss unseres Gesprächs weist Ella Späte noch darauf hin, dass sie sich immer noch fortbilde und mit ihrem Trio gerne Auftragsarbeiten übernehme, etwa Figurenausstattungen, Spezialkostüme oder die Gestaltung beweglicher Maskottchen. Etwa Seelöwen, die so gearbeitet sein mussten, dass verschiedene Leute hineinpassten. HWK