Wohl kaum hatte sich der Märchenabend in Steinau je so stimmungsvoll gestaltet, wie in diesem Jahr der Corona-Krise. Im Hof des Theatriums, umrahmt von historischen Gebäuden, genossen die Besucher eine Märchenreise durch viele Länder und Kulturen, in Verbindung mit passenden musikalischen Beiträgen der Musiker Silke und Dirk Kilian von der Gruppe „Joyosa“.
Erfreut begrüßte Detlef Heinichen vom Theatrium die zahlreichen Besucher, die es sich an den auf den gebotenen Abstand platzierten Tischen gemütlich gemacht hatten.
Die versierten Märchenerzählerinnen Mariéle Syllwasschy und Sarah Stein hatten besinnliche, amüsante, in jedem Fall aber interessante und spannende Märchen aus aller Welt für den besonderen Märchenabend ausgewählt.
In ihrer ersten Erzählung führte Mariéle Syllwaschy ihre Zuhörer sogar bis hinauf zum Mond.
Niemand auf der Erde scheint in der Lage, die vielen Fragen eines wissbegierigen Tiroler Hirtenjungen zu beantworten. Warum geht die Sonne auf und wieder unter? Warum ist der Großbauer reich, und ich bin arm? Um Antworten auf seine Fragen zu erhalten, begibt er sich mit einem von Sternschnuppen gezogenen Wagen auf eine „Reise zum Mondmann“.
Reich an Wissen
Sein Mut und seine Unternehmungslust werden belohnt: Reich an Wissen kehrt er zurück, hilft allen Menschen, und natürlich wird eine Königstochter auf seine Klugheit aufmerksam.
Eine Klugheit ganz anderer Art legte eine Frau in einem marokkanischen Märchen an den Tag. Gewitzt erteilt sie dem Kadi der Stadt eine nachhaltige Lehre, sodass dieser am Ende bekennt: „Allah will, dass wir alle Tage klüger werden, und ich bin klüger geworden!“
Nicht durch List, sondern durch seine sorglose Naivität geht ein jüdischer Mann aus einer Debatte in Gebärdensprache mit dem König als Sieger hervor und rettet damit seine jüdischen Mitbürger vor Unheil. Sarah Stein erzählte neben diesem jüdischen Märchen die irische Geschichte „Das Traumhaus“, in dem natürlich ein Geist wohnt.
Das irische Märchen „Das weiße Kalb“, übersetzt von den Brüdern Grimm, setzten Silke und Dirk Kilian in Szene. In der Auseinandersetzung zwischen Elfen und Hirten triumphierte ein unerschrockener Hirtenjunge mit seinem Flötenspiel über die Königin der anmutigen Naturgeister aus der nordischen Mythologie.
Mit Mut und Tapferkeit, List und Klugheit, aber auch mit sorgloser Gelassenheit etwas zu wagen und das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, zieht sich durch die Märchen aller Kulturen und ist eines der verbindenden Elemente der Geschichten auf ihrer Reise durch Zeiten und Distanzen, weitergetragen, übersetzt und interpretiert.
Der Zauber der Märchen vom hohen Norden bis zum fernen Orient, vermittelt durch die Erzählkunst der Märchenerzählerinnen, nahm die Zuhörer vor historischer Kulisse gefangen. Aufs beste auf die Märchen abgestimmt, musizierte „Joyosa“ auf historischen Instrumenten wie Schlüsselfidel und Rahmentrommeln. Irische Balladen, Musik der französischen Renaissance und orientalische Klänge begleiteten die Geschichten und entführten zugleich auf eine magische Reise durch die Klangwelten früherer Zeiten und verschiedener Kulturen.
Solche Veranstaltungen im Hof künftig fortzusetzen, stellte Detlef Heinichen in Aussicht. Bleibt zu hoffen, dass diese Idee umgesetzt werden kann.