„Die Zufälle nehmen, wie sie kommen“

Text_2

Payam Najmi ist ein bekanntes Gesicht in Schlüchtern. Dabei wäre der gebürtige Iraner als Jugendlicher beinahe in den USA gelandet und nicht in Deutschland. Zum 20. Geburtstag seines Unternehmens P2 erzählt Najmi von einer Kindheit im Kriegsgebiet, der Flucht mit 200 weiteren Jugendlichen und seiner wahren Heimat: Schlüchtern.
Eigentlich waren die Pläne andere bei Payam Najmi. Eigentlich wollte der gebürtige Iraner sein Leben in der Hauptstadt Teheran verbringen. Doch dann, als Najmi gerade sieben Jahre alt war, begann der Iran-Irak-Krieg. Eigentlich sollte er deshalb mit 14 Jahren in die USA fliehen, zu einem Onkel. Doch er landete in Kressenbach. „Zum Glück“, sagt Najmi heute. „Denn in Schlüchtern habe ich meine große Liebe und meine wahre Heimat gefunden.“ Eigentlich sollte Najmi auch als Groß- und Außenhandelskaufmann arbeiten, doch das reichte ihm schnell nicht mehr. Deshalb hat er sich in Schlüchtern sein eigenes Unternehmen P2 Telekommunikation aufgebaut. Und das feiert in diesem Jahr 20. Geburtstag.
Payam Najmi hatte das Geschäft im Jahr 2000 mit seinem Cousin Pejman Najmi gegründet. Payam und Pejman, „deshalb auch P2“, sagt der 46-Jährige. Schon kurz darauf stieg Cousin Pejman zwar wieder aus, an eine Namensänderung aber dachte Najmi nie. „Der Name wäre ja eh vergeben“, sagt er. „Das P1 gibt es ja schon!“ Und mit der berühmten Diskothek in München will man sich dann doch keinen Namensstreit liefern.
An die Anfangstage erinnert er sich noch gut: „Mit einer Vitrine als Verkaufstheke ging’s in der eigenen Wohnung los.“ Najmi sah gute Chancen: „Es gab noch keinen Handyladen in Schlüchtern, nur Elektrogeschäfte, die das mit den Handys eher nebenbei gemacht haben.“ Er dachte sich: „Das geht besser.“ Und die 20 Jahre scheinen das zu bestätigen. Einfach sei das aber nicht gewesen, betont Payam Najmi.
Doch „einfach“ ist ohnehin keine Kategorie, in der Najmi großgeworden ist. Mit 14 Jahren hatte er bereits sieben Jahre Krieg hinter sich. Da packten ihn seine Eltern in ein Flugzeug, zusammen mit weiteren Kindern ging es von Teheran nach Frankfurt. Das war kurz vor seinem 15. Geburtstag. „Mit 15 wäre ich eingezogen worden in den Kriegsdienst“, sagt Najmi. Er hat die Bilder noch gut vor Augen: „Im Flieger war es wie auf einem Kindergartenausflug. Da waren locker 200 andere Kids drin. Und fast keine Erwachsenen.“ Sie mussten lange angespannt auf dem Boden warten, bis die Flugabwehrraketen still wurden, dann erst konnte das Flugzeug abheben. „Natürlich war das keine Kindheit, wie man sie sich wünscht.“ Doch darüber möchte Najmi gar nicht reden, er sieht es positiv: „Nur deshalb bin ich in Schlüchtern gelandet – sprichwörtlich.“
Deutschland sollte ursprünglich nur Zwischenstopp sein, der Plan waren die USA. Najmi kam erst mal bei einem Onkel in Kressenbach unter. Und blieb einfach da. „Ich habe mich total wohlgefühlt hier, fand die Menschen und die Region toll. Ich wollte nicht mehr weg.“ Seine Eltern kamen einige Jahre später nach. In Schlüchtern absolvierte Najmi die Realschule, ging in die Berufsfachschule und lernte schließlich Elektrotechnik in der Fachoberschule. Eigentlich war auch das ursprünglich anders geplant, „aber ich habe es einfach so hingenommen und halt meinen Abschluss in Elektrotechnik gemacht“.
Dass es später zum eigenen Unternehmen P2 Telekommunikation kam, lag vor allem an der Übernahme des Baustoffhandels Knothe. Dort arbeitete Najmi nämlich von 1995 bis 2002. Geplant war auch das – natürlich – nicht: „Ich war nach der Fachoberschule beim Arbeitsamt und sagte, ich würde gerne etwas mit Computern machen.“ Das Arbeitsamt verschaffte ihm dann die Stelle beim Baustoffhandel, denn da könne man ja schließlich was am Computer machen. Und so absolvierte er seine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann.
„Im Jahr 2000 hatte ich für P2 bereits das Gewerbe angemeldet“, sagt Najmi. „Erst mal nebenberuflich.“ Als 2002 klar war: Bei Knothe geht es nicht weiter, „habe ich den Sprung gewagt und den Laden in der Krämerstraße eröffnet“. Die Zeit bei Knothe zählt für Payam Najmi übrigens zu den schönsten seines Lebens, „denn während dieser Zeit habe ich meine heutige Frau Nicole kennengelernt“.
Zurück zum Geschäft: Für Najmi waren die Themenfelder im frisch eröffneten Laden alle neu, also hat er sich weitergebildet und Schulungen absolviert. „Ich musste erst mal in die Materie einsteigen und richtig viel lernen, lernen, lernen.“ Außerdem musste Najmi Kontakte knüpfen: Außendienstler kennenlernen, Verträge schließen, mit Firmen kooperieren. „Das Vertragliche lief damals alles über Fax“, erinnert sich Najmi. „Das war verdammt kompliziert und aufwändig.“
Heute hat das Unternehmen P2 Telekommunikation seinen Sitz in der Obertorstraße, ist sehr breit aufgestellt, bietet Service und Verkauf von Telekommunikation jeglicher Art an, und zwar für Privat- und Firmenkunden. P2 ist ein IHK-Ausbildungsbetrieb, Najmi hat einen Ausbilderschein und 2017 außerdem die Ausbildung zum Vodafone-Manager abgeschlossen. Er selbst betreut mittlerweile vor allem die Firmenkunden in Schlüchtern, Frankfurt und Umgebung. Sein Angestellter Iman Bajelan kümmert sich um das Tagesgeschäft. Einen Auszubildenden hat Najmi auch: Aaroos Mahmood lernt Einzelhandelskaufmann bei ihm.
Und was zeichnet P2 aus? „Wir sind international aufgestellt“, sagt Payam Najmi. „Wir sprechen Deutsch, Englisch, Persisch, Türkisch und Pakistanisch.“ Außerdem sei es Najmi und seinem Team enorm wichtig, die Kunden auch nach dem Verkauf gut zu betreuen. „Wir machen Arbeiten für Kunden, die nicht unbedingt alltäglich sind.“ Da wird eine Kündigung schon mal eigenhändig zur Post gebracht oder eine 83-Jährige zuhause besucht, um die Handykarte aufzuladen. „Als Dankeschön dafür gab es übrigens einen Wurstkringel“, erinnert sich Najmi. Und das sei es auch, was ihm an dem Job so sehr gefällt. „Wir wollen bescheiden und dankbar bleiben.“ Pläne hat er trotzdem: Vor kurzem erst hat Najmi ein Lottoangebot in sein Geschäft integriert. Ein zweites Geschäft dieser Art in der Innenstadt schwebt dem 46-Jährigen noch vor.
Dass er anpacken kann, hat Najmi schon mehrfach bewiesen: Er hatte schon ein Geschäft in Fulda, schmiss für einige Jahre den Schlüchterner Löwenkeller und hat sich in der Region auch als Fußballtrainer einen Namen gemacht. Eigentlich waren in Najmis Leben viele Dinge anders geplant, als sie gekommen sind. Doch das ist für den Schlüchterner nichts Schlimmes. Ganz im Gegenteil: „Ich habe gelernt, die Zufälle so zu nehmen, wie sie kommen, und das Beste daraus zu machen. Das hat mir bislang ein tolles Leben beschert, wofür ich sehr dankbar bin.“