Der Großmeister des trockenen Humors

Text_2

Ein Stehtisch, ein Barhocker, Wasser naturell und ein Mann mit Mütze – Torsten Sträter begeistert mit den einfachsten Mitteln in der ausverkauften Stadthalle. Die 500 Zuschauer kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Der Kulturverein Kuki wartet zu seinem 25-jährigen Jubiläum erneut mit einem Höhepunkt auf.
„Amüsiert euch schön“, wünschte Hanspeter Haeseler vom Kuki Schlüchtern schlicht. Dann schlendert Torsten Sträter auf die Bühne. Schwarze Mütze, eine lässige Geste mit beiden Armen gen Publikum – und die Gäste in der vollbesetzten Schlüchterner Stadthalle fangen an zu toben: Applaus, Gelächter, Pfiffe – und dabei ist noch kein einziges Wort gefallen. Das ändert sich im Laufe des dreistündigen Programms radikal, denn wenn Sträter etwas kann, dann ist es reden.
„Der Mann ist eine echt „coole Socke“, so eine Zuschauerin. Viel, durcheinander, von den Hottentotten zum Penis-Witz springend, nach drei Gedankenschleifen zum ursprünglichen Thema zurückfindend. Wortwitzig, lässig, unterhaltsam. „Schließlich mach ich das Programm schon zum vierten Mal. Das ist langweilig. Ich mach doch für Sie nicht dasselbe wie für die Anderen“, kündigt er an. Das wissen die rund 500 Gäste des Jubiläumsprogramms zu schätzen: Auch als gegen 23 Uhr das Programm – ein fliegender Wechsel aus Standup-Comedy, Regionalbezug, Lesungs-Sentenzen und lässigen Geschichten – endet, weil „in drei Minuten die nächste Droschke geht und die Kandelaberlöscher unterwegs sind“, haben sie immer noch nicht genug vom Meister des trockenen Humors.
„Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“, heißt das aktuelle Programm des 52-Jährigen, von dem der Comedy-Schriftsteller, Slam-Poet und Kabarettist sagt: „Das Programm hat einen roten Faden, aber den erkennen Sie erst nächsten Donnerstag.“ Und prompt bekommen ein paar verspätet Eingetroffene die rhetorischen Fähigkeiten Sträters präsentiert, der in Turbogeschwindigkeit und zusammenfassend die erste Viertelstunde noch einmal Revue passieren lässt und recht häufig einen lokalen Bezug nimmt. „Wurden Sie abgetastet?“, wird das Publikum gefragt. Sträter kennt selbst die Antwort: „Nein, gedrückt. Man kennt sich hier in Schlüchtern.“ Am Nachmittag sei er „durch den Ort gefahren – in 40 Sekunden“. Grund genug, den geplanten Imagefilm über den Ort gutzuheißen, für den ein Kameramann im Saal Aufnahmen dreht. Einen Slogan habe er schon parat: „Lieber nüchtern in Schlüchtern als kackenbreit in Wattenscheid.“ Mit Blick in die vollbesetzte Stadthalle stellte Sträter fest: „Sie haben die zweithässlichsten Stühle, die ich je gesehen habe. Wo ist der Bürgermeister? Schon wieder weg? Wie der Deichgraf – der reitet das schnell mal ab, und dann…“ Das anwesende Stadtoberhaupt Matthias Möller und Kerstin Baier Hildebrandt im Publikum amüsierten sich köstlichst. Dass aufgrund brandschutzrechtlicher Bestimmungen die schicken Hussen nicht aufgezogen wurden – für den Mann mit der schwarzen Strickmütze ein weiterer Grund zum Spotten: „Ich gehe davon aus, dass wir lieber verbrennen als diese Stühle anzusehen.“
Mit dem Leben auf dem Lande sei er vertraut, so der Kabarettist: „Waltrop, wo ich wohne, ist der gleiche Krams in Grün. Wir haben als einzige sogar noch einen Schleckermarkt. Mit Quench im Angebot. Für 1,99. D-Mark, versteht sich.“ Aber dennoch habe ihn beim Eintreffen in Schlüchtern ein Schild sehr irritiert: „Pferdeboxen.“ „Ich finde Hundekämpfe schon schlimm“, kalauert Sträter, um gleich darauf zu bekennen: „Ich amüsier mich besser als Sie.“ Und das über so ziemlich alles: „Farid Bang“, den „Vollidiot, der heißt wie ein Badreiniger“, eine „gut abgehangene Gruppe Damen meines Alters“, brandaktuelle Techniktrends, nicht nur für die Hausfrau: „sprechende heranwichsende“, komplett vernetzte, digitale Küchenmaschinen, Thermomix, E-Autos und Vorwerk-Staubsauger, Intervallfasten, Plastikmüll und Starbucks, Kaffeepads, die Prostata, typische Eltern-Sprüche aus der Kindheit, die Hottentotten und eine Afrika-Reise – und „ganz viele Dinge, die mit dem Programm ganz wenig zu tun haben.“ Und trotzdem immer wieder genau den Nagel auf den Kopf treffen.
Den Eindruck hat man: Da steht einer auf der Bühne, der einfach Spaß daran hat, sich durch das Programm zu improvisieren. Denn das kann er, der Sträter, der während der Pause um Themenvorschläge auf Zetteln bittet – und tatsächlich zu allen Vorschlägen etwas Spritziges zu sagen findet. „Was ich so mache, ist so viel besser, als echte Arbeit“, gibt der gelernte Herrenschneider unumwunden zu, der sein Publikum genau im Blick hält: Die Frau, die zahlreiche Fotos von ihm macht, deren Nachbarn („Ist das Ihr sich in Grund und Boden schämender Gatte?“), den filmenden Gast aus Reihe zwei – und natürlich den Zwischenrufer „Sind wir hier in der Schule, oder was?“, dem Sträters Ausführungen zur AfD („Die ist einfach erbärmlich, das ist arm. Die Vollidioten beißen sich auch noch gegenseitig tot wie die Ratten.“) offenkundig nicht gefallen und dem Sträter entgegnet: „Das dauert nur noch 20 Minuten. Aber nein, wir sind hier nicht in der Schule, deshalb gibt es jetzt auch einen Penis-Witz.“
Nach drei Stunden entlässt Sträter seine Gäste mit einem schlichten „Tschüs“ – die Sprüche: „Ich bin raus, das war‘s von mir“ kann er sich bestenfalls auf einem Kondom gut vorstellen. Und Hanspeter Haeseler vom Kuki verspricht ihm für einen nächsten Besuch, dass bis dahin auch andere Stühle in der Stadthalle stehen werden…