Der Meister des Erzählens aus Berlin begeisterte im ausverkauften Haus
Einen besonderen Coup hatte das Kuki mit einer Kabarett-Veranstaltung in der voll besetzten Stadthalle gelandet. Erstmals zu Gast in Schlüchtern war der namhafte Berliner Kabarettist und Bestseller-Autor Horst Evers, der dem Publikum einen großartigen Abend bescherte.
Das war ein Oh, ein Aaah, ein Seufzen, ein Schmatzen, ein wollüstiges Aufstöhnen – das neue Bühnenprogramm von Horst Evers, so schien es, schöpft so richtig aus dem Spektrum des Emotionalen, lässt den Bestsellerautor und Satiriker schwelgen in seinen eigenen Geschichten, lässt ihn ein ums andere Mal auch innehalten, um sich die Lachtränen aus dem Augenwinkel zu reiben.
„Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“, so der Titel von Buch und Programm – ein fulminanter Abschluss der Festivalsaison des Kuki Schlüchtern, zu dem auch viele Gäste extra aus Fulda, Gelnhausen und dem Rhein-Main-Raum angereist waren.
Die Stadthalle hatte sich in eine lauschige gemütliche Kabarett-Lounge mit roten Tischchen und Stühlen mit schwarzen Hussen verwandelt. Ein stimmiges Ambiente für den Abend und die Besucher der ausverkauften Show – darunter Bürgermeister Matthias Möller, Erster Stadtrat Reinhold Baier (CDU), Stadtverordnetenvorsteher Joachim Truss (SPD), Ortsvorsteher Rainer Grammann (FDP), CDU-Fraktionsvorsitzender Heinz-Jürgen Heil und viel weitere Prominenz aus Schlüchtern – alle waren begeistert. Leckere Antipasti gab es vom Catering, die gewohnt liebevolle Weinauswahl verlockte auf den ein oder anderen Schluck.
Viel Applaus erntete Heide Buhmann, die im Namen des Kuki die Begrüßungsworte sprach und einen kurzen Rückblick auf eine bewegte Saison gab, die mit Größen wie Ute Lemper, Weltstar aus New York, Tatort-Liebling Axel Prahl, Kabarettist Florian Schröder, den genialen bayrischen Urgesteinen Ex-Biermösl-Blosn, Bella-Block-Darstellerin Hannelore Hoger einer großartigen Opernband und Artisten des Cirque du Soleil aufwartete, den Verein aber auch vor Herausforderungen stellte: „Es war keine einfache Saison, nicht nur wegen der Wetter-Unbilden. Wir würden so gerne wieder eine feste Spielstätte bekommen – und die Synagoge ist immer noch der Ort, der uns am geeignetsten erscheint“, richtete sie einen stürmisch beklatschten Appell an die versammelten Stadtverantwortlichen in der Stadthalle.
Dann kam er – Horst Evers, hinter dem laut Heide Buhmann die Programmverantwortlichen „schon seit drei Jahren her sind“, schlenderte lasziv auf die Bühne und machte seinem Ruf als Meister des Geschichtenerzählens alle Ehre. Eigentlich hatte er noch auf das Kuki-Zelt gehofft, doch: „Es könnt im Zelt gar nicht schöner sein. Es ist toll, wie viel Arbeit ihr euch gemacht habt“, zeigte sich der Autor beeindruckt vom Veranstaltungsort.
Und dann ging es sogleich in die Vollen: So mit Donald Trump. „Um die Jahrhundertwende waren wir fest davon überzeugt, dass es garantiert niemals einen ungeeigneteren US-Präsidenten als George W. Bush geben könnte. Wo man heute sagt: Ging eigentlich.“ Hinterher hat man’s meist vorher gewusst. Ob globale Krise oder kleine Katastrophe: Immer ist da ein Klugscheißer, der hinterher alles schon vorher gewusst hat! Evers lacht, schmunzelt, erzählt sich durch den Alltagskosmos aktueller Gesprächsthemen. Und das auf eine Weise, bei der das Publikum ihn einfach mögen muss, wie der da mit großen Gesten und lebhafter Mimik geschickt von Thema zu Thema wechselt. Der Seitenblick auf den Titel seines Programms: Kants „Der kategorische Imperativ“ – nur noch eine Stellung beim Sex?: „Alltagsethik. Gibt es noch. Aber sehr unterschwellig.“
Großartig, wie Evers zur Freude des Publikums das gemeinsame Gespräch beim Männerabend aufspießt: Den Anderen reden lassen und ab und zu immer wieder zustimmend nicken. „Ein gelungener Abend braucht keine zwei Meinungen.“ Und dann liest er eine seiner unverwechselbaren Geschichten vor, bei denen er Alltagserlebnisse und -beobachtungen messerscharf seziert: „Fahre mit dem Fahrrad den Kurfürstendamm runter. Die Fußgängerampel kurz vor dem Breitscheidplatz zeigt Rot. Halte an, lasse die Fußgänger rüber. Als alles frei ist, fahre ich wieder los. Weit komme ich nicht. Direkt hinter dem parkenden Kleinlaster schießt plötzlich eine Kelle hervor. An der Kelle hängt eine Polizistin. Eine erstaunlich schöne Polizistin. Ich sollte mich konzentrieren. Sicher kommt es jetzt auf jedes Wort an. Wenn ich jetzt mit so was anfange wie: Kind krank, Freundin schwanger, Opa liegt im Sterben – das wäre echt würdelos.“ Horst Evers Ausreden aus dem Schlamassel werden immer wilder und der Ausgang des Ganzen – ein absoluter Brüller!
Horst Evers, der Meister der satirischen Inszenierung, ein Meister des rasant an Fahrt aufnehmenden und oft ins Absurde steuernden Dialogs, ist ein Meister der Beobachtung und Aufbereitung alltäglicher zwischenmenschlicher Begegnungen mit Unterhaltungswert und Lehre. Da wird der „ganze sinnlose Kram“ von zu Hause – vom Teelicht bis zum Drahtgestell für Weinflaschen – in den Geschäften der Stadt „ausgesetzt“, quasi als Wiedergutmachung für die Diebstähle, die dort ja auch stattfinden. „Da gleich ich das aus.“ Philosophische Fragen wie „Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?“, werden zunächst auf die lebenspraktische Ebene reduziert: „Ist das weit? Und muss ich da mit?“ Oder das Thema „Kontrolle“. Er sei ein großer Befürworter der verschiedensten Kontrollen im Leben. „Ein äußerst sensibler Bereich ist jedoch, wenn ich selbst kontrolliert werde“, schränkt er ein.
Und dann ein Lieblingsthema, die unendliche Geschichte des Berliner Flughafens, die lässt ihn natürlich auch in Schlüchtern nicht los. „Niemand kann so gut ganz, ganz langsam bauen, sodass man‘s mit bloßem Auge gar nicht erkennen kann, wie die Berliner und Brandenburger. Das neiden uns viele.“ Horst Evers nimmt die Verantwortlichen in Schutz. Er selbst verschätze sich auch gerne mal. Und dann macht er einen bahnbrechenden Vorschlag: Vielleicht sollte man das Gebäude abreißen und dort erstmal etwas hinstellen, was nicht so schwierig ist, damit man ganz entspannt so richtig reinkommt ins Bauen. Eine Brücke etwa, auch wenn es keinen Fluss dazu gibt. Denn dann ist es auch nicht so gefährlich, wenn man einen Fehler macht. Und es ist vorausschauendes Bauen. Denn wenn da später noch ein Fluss kommt, steht schon eine Brücke da. Eine wunderbare Parabel auf die Berliner Planemächer.
Und so plaudert sich Evers von Geschichte zu Geschichte, erzählt von Online-Massagen, einem Männer-Adventskalender auf einer Schnapsflasche, einem Mischlingshund namens Heidi Klum – und dann sind fast drei Stunden vergangen, in denen das Publikum wenig mehr getan hat, als zu Lachen und zu Applaudieren, manchmal sogar mitten im Programm.
Dann noch schnell Werbung für das gute Buch, „eine faszinierende alte Technologie, mit verschleißfreiem Akku, unübertreffbar schnellem Seitenaufbau, guten Lettern, ausgestattet sogar mit einem Kabel“, das Evers jedoch selbst noch nie benutzt hat: Das Lesebändchen der Bücher, die im Foyer darauf warteten, den Gästen noch weiter Freude zu bereiten.