Die Fesseln des Textes haben die Salmünsterer Passionsspieler nicht abgestreift, aber literarisches Theater geliefert. Bei der Premiere der Passion „Glaubt. Handelt.“ stand der Mensch Jesus mit all seinen psychologischen und gesellschaftlichen Facetten im Mittelpunkt.
Prophet, Messias, Wunderheiler für das Volk, Revoltierender für die Herrschenden: In den Tagen vor der Verhaftung und Kreuzigung ist Jesus in sich gekehrt. Zweifelt, hat Angst, Albträume plagen ihn. Körper, Gesten, Sprache, Stimme dokumentieren Zweifel. Warum? Warum muss er sich opfern? Jesus pendelt zwischen seinem eigenen Ich – zwischen Identifikation und Konstruktion. Die Spontaneität ist weg. Er muss sich entscheiden für den vorgegebenen Weg.
Die Salmünsterer Passion ist gereift. Das ist kein Spektakel strammer Soldaten und eines euphorischenVolkes mehr. Es ist die Glaubenskrise, die alle überwinden müssen. Die Jünger zweifeln. „Ich rufe ihn. Er antwortet nicht. Er geht nicht spurlos an einem Menschen vorüber. Wir haben uns alle verändert“, klagt Magdalena und hasst Jesus dafür. Um das zu veranschaulichen, nutzt Regisseurin Maria Hummel die Metaebene für die übergeordnete Sichtweise der Protagonisten. Diese entlarvt Jesus in seinen Ängsten, Judas in seiner Abwendung und Magdalena in ihrem Liebesschmerz. Judas, der Gegenspieler und Verräter, will nicht mehr tatenlos zuschauen, wie sein Volk leidet. „Wo bleiben deine Taten? Zeige deine Macht und hole uns raus aus fremder Gewalt“, fordert er vehement. Doch Jesus lässt sich nicht mehr vom Weg abbringen. „Judas, tue es endlich, was getan werden muss.“
Jeder Mensch habe Wertvorstellungen, die sein Handeln bestimmten. Jesus selbst sei das herausragende Beispiel dafür, wie der eigene Glaube das Handeln beeinflusse. Er tröste, schlichte, heile und tue Wunder, hatte Regisseurin und Textschreiberin Maria Hummel vor der Premiere gesagt. „Er glaubt so sehr, dass er sich für den Glauben kreuzigen lässt. Die Augenblicke des Zweifels bilden den roten Faden des Passionsspiels. Aber der Zweifel weicht dem Vertrauen in seinen allmächtigen Vater.“
Die schauspielerischen Leistungen der Protagonisten übertrafen alle Erwartungen. Maximilian Herget verkörpert einen introvertierten, gequälten Jesus, der nur einmal ausrastet und die Händler aus dem Tempel jagt. Sebastian Dietz spielt den aufbrausenden, unbeherrschten, aufrührerischen Judas. Stefanie Zellmann ist die unglückliche Begleiterin von Jesus. Allgegenwärtig beobachtet sie sein Handeln und spürt, dass sie den vorbestimmten Weg nicht ändern kann. „Warum hast du so viele Menschen um dich versammeln lassen, um sie dann zu verlassen?, fragt Magdalena. Jesus hört sie nicht.
Nach dem offiziellen Empfang durch die Stadt begann um 16.30 Uhr das Pontifikalamt in der barocken Kirche St. Peter und Paul. Den Gottesdienst hielt der apostolische Botschafter des Heiligen Stuhls und Schirmherr der Passionsspiele, Nuntius Dr. Nikola Eterović. In seiner Predigt betonte der Nuntius: „Das, was wir im Evangelium lesen, was der Kern der Berichte im Neuen Testament ist, das Geheimnis der Passion und des Todes des Herrn Jesus, das werden wir durch die Darstellung im Passionsspiel sehen. Dies kann uns nicht gleichgültig lassen. Im Gegenteil, das Hören des Wortes Gottes und seine konkrete Präsentation durch lebende Personen, Gesten und Handlungen, fordert auch unsere persönliche und gemeinschaftliche Anteilnahme am Ostergeheimnis, was das Geheimnis des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus ist.“