Der demokratische Rechtsstaat ist kein Selbstläufer

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Deutlich mehr Zuhörer als in den vergangenen Jahren besuchten den Festakt zum Tag der Deutschen Einheit des Altkreises Schlüchtern im Spessart Forum.
Die Festansprache hielt Landrat Thorsten Stolz, die Schlussworte sprach Thomas Otto Schneider, der Vorsitzende der Europa-Union Kreisverband Schlüchtern-Gelnhausen.
Bürgermeister Dominik Brasch thematisierte in seiner Begrüßungsansprache die Verpflichtung, sich für demokratische Strukturen einzusetzen. 28 Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es „andere Mauern“, solche aus „Entfremdung, Enttäuschung und Wut“, zitierte er Bundespräsident Steinmeier.

Engagement für den demokratischen Rechtsstaat forderte Landrat Thorsten Stolz in seiner Festansprache zum Tag der Deutschen Einheit im Spessart Forum.

„Sind die Probleme hier nicht klein im Gegensatz zu den großen in der Welt,“ vor denen die Flüchtlinge fliehen. Und gerade die Geflüchteten werden zum Ventil für Abstiegsängste derer, die ein Leben in Freiheit führen. Für Kinder gebe es keine Grenzen in den Köpfen. „Wir sollten uns an ihnen ein Beispiel nehmen“, empfahl das Stadtoberhaupt.
„Unsere Geschichte hat gezeigt, dass Träume und Sehnsüchte eine Betonmauer überwinden und, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenwachsen können“ erinnerte Dominik Brasch und ermutigte mit Blick auf den zunehmenden Rechtspopulismus zum Kampf für Demokratie und Freiheit.
„Wie steht es um die Vereinigung Deutschlands und Europas? Sind die demokratischen Grundfesten stabil? Wie ist die emotionale, politische und wirtschaftliche Gemütslage rund um die deutsche Einheit?“ Diese Fragen warf Hauptredner Thorsten Stolz auf und wiegte sich nicht in selbstgefälligen Lobeshymnen ob der friedlichen Wiedervereinigung, sondern mahnte, wie sein Vorredner, zum aktiven Mitgestalten der Demokratie.
Die Einheit Deutschlands sei emotional zwar nicht bei allen Bürgern angekommen, doch die Mehrheit der jungen Menschen glaube an den Zusammenhalt des Landes, konstatierte Landrat Stolz.
Vor dem Hintergrund prosperierender Wirtschaft mit hoher Exportquote, geringer Arbeitslosigkeit (4,1 Prozent im Kreis), hoher Investitionen in Schulen und medizinischer Versorgung sorgten sich die Deutschen weniger um ihre persönliche Existenz, die Ängste von zwei Dritteln der Deutschen zielten vielmehr auf „nicht direkt beeinflussbare Dinge“, etwa die Gefahren durch Trump, die Überforderung der Politiker hinsichtlich Terrorbekämpfung und der Integration der Geflüchteten.
Mit Blick auf die aufstrebenden europafeindlichen Kräfte, den Brexit, die Gefährdung der Rechtstaatlichkeit in Polen und Ungarn seien Politik und Bürger gleichermaßen gefordert, Flagge für Europa zu zeigen. „Wir können die Rechtstaatlichkeit nur sichern, wenn wir Europa als Friedensunion begreifen.“
Auch die Politik müsse schwierige Entscheidungen besser erklären, ein bloßes „Wir schaffen das!“ reiche den Menschen nicht aus. Ein Plan wäre nötig gewesen. Natürlich sei es eine Herausforderung, eine Million Menschen in den Kulturkreis und den Arbeitsmarkt zu integrieren, hier gehe es um „fördern und fordern“. Nicht Ängste zu schüren, sondern Mut zu machen, sei die Devise. Statt die Rhetorik der Rechtspopulisten zu übernehmen, sollten durch ordentliche Politik Lösungen geliefert werden, wandte sich der Landrat in Richtung der Parteien der Mitte, begleitet vom Applaus der Zuhörer. Als Betätigungsfelder nannte er Investitionen in Schulen und Kindergärten, Verbesserung der Pflegesituation und die Angleichung der Lebensbedingungen in Stadt und Land. Der Main-Kinzig-Kreis gehe bei der Lösung dieser Aufgaben bereits voran.
Natürlich sei auch jeder Bürger in der Pflicht, sich zu informieren und Verantwortung zu übernehmen. „Wir brauchen Mut- statt Wutbürger. Wir müssen weg von der Empörungsgesellschaft!“, appellierte Landrat Stolz. Es gehe um den Auftrag, Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und der populistischen Hetze von rechts und links, der religiös Verblendeten und denjenigen, die „unsere Gastfreundschaft ausnutzen“, entgegen zu treten.
Als gemeinsamer Klangkörper begleiteten die Jugendorchester der Musikvereine Salmünster und „Starker Sound“ Cäcilia Bad Soden unter Leitung von Carmen Merz die Veranstaltung musikalisch.