Text_2

Wenn Schauspieler Kurt Spielmann in seinem neuen Stück „Die Heimschneiderweihnacht“ erzählt, klingt das wie eine spannende Reise in längst vergangene Zeiten. „Das Wort Stress gab es in meiner Kindheit nicht. Hochglanzkataloge kannte man nicht. Die Weihnachtszeit nach dem Krieg war feierlicher, andächtiger“, berichtete er einem Dutzend Zuhörer im Remisenkeller des Steinauer Brüder-Grimm-Hauses und stimmte mit dem Publikum „Alle Jahre wieder“ an.
Große Augen habe er gemacht, wenn es in der Stadt die vielen Lichter und Schaufenster zu bestaunen galt. Da durfte von einer Westernkutsche, einer Ritterburg und von einer elektrischen Eisenbahn geträumt werden.
Doch die Bescherung war karg: ein Äpfel, drei Nüsse, Plätzchen und Schiesser Unterwäsche. „Manchmal gab es einen Pullover, wenn man aus dem alten herausgewachsen war.“ An Heiligabend machte sich der Bub dann über die Plätzchen mit dem Schokoladenüberzug her. „Heute gilt es, habe ich mir gesagt, wenn die Oma 15 verschiedene Sorten auf Pappteller anrichtete. Wann gab es sonst in einer armen Schneiderfamilie schon Süßes zu schnauben.“
Ein Wohnzimmer hatten die Spielmanns nicht. Gebadet wurde immer samstags in der Küche. Zum Fest wurde die Werkstatt umfunktioniert. „Im Dorf gab es einen einzigen Schwarzweißfernseher. Heute steht in jedem Raum ein Flachbildschirm.“ Zur Feier des Tages gab es Würstchen und Rippchen in Sauerkraut gelegt.
Der Weihnachtsbaum war immer richtig herausgeputzt und mit Lametta geschmückt. „Wenn der Baum dann abgeräumt wurde, wurde das Lametta sorgfältig gebügelt und weggelegt.“ Die Zuhörer schwelgten nur zu gerne mit dem Künstler in Erinnerungen und sangen textsicher Lieder wie „Leise rieselt der Schnee“ und O du fröhliche“ mit. Einige träumten ganz bestimmt auch von der Adventszeit ohne Hochglanzkataloge, Amazon und nerviges Gedudel aus den Lautsprechern.