Das war ganz großes Kino – oder, um genauer zu sein: ganz großes Theater.
Mit dem Stück „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ eröffnete am Wochenende das Theatrium Steinau.
Manch einer, der den Debütroman des schwedischen Journalisten und Autors Jonas Jonasson gelesen hatte, mag sich gefragt haben, wie man dieses schier überschäumende Buch in ein Theaterstück verpacken kann. Dazu so viel: Den beiden Künstlern Detlef Heinichen und Wolf-Dieter Gööck gelang das auf grandiose Weise.
Die Geschichte um Allan Karlsson, der kurz vor der Feier seines 100. Geburtstages aus seinem Zimmer im Altersheim flieht, ist reich an abstrusen Wendungen und phantasievollen Einfällen. So entwickelt sich eine skurrile Kriminalgeschichte, die Allan mit dem Gelegenheitsdieb Julius, dem Imbissbudenbesitzer Benny und der auf einem Hof lebenden „schönen Frau“ Gunilla zusammenbringt. Ihre einzige Mitbewohnerin ist die aus dem Zoo entlaufene Elefantendame Sonja. Die bunt zusammengewürfelte Truppe schafft es (mit Elefantendame!) nach einer turbulenten Flucht – und ja, auch Leichen pflasterten ihren Weg – auf die indonesische Insel Bali. Glückliches Ende.
Parallel zu den Ereignissen erzählt der Roman die Lebensgeschichte der Hauptfigur Allan, der ohne eigenes Zutun in die wichtigsten politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts verwickelt wird. Und just in diesem Moment weht Weltgeschichte durch das kleine Steinauer Theater: der spanische Bürgerkrieg und General Franco, der Bau der Atombombe und Harry S. Truman, Mao Zedong und die Begegnung mit Herbert Einstein, angeblicher Halbbruder von Albert Einstein.
In Anspielung auf Allan Karlssons Leidenschaft für Explosionen lässt Wolf-Dieter Gööck den Beamten bei Karlssons Einreise in die USA sagen: „Lassen Sie‘s krachen, Mr. Karlsson.“ Und auch mit Lebensweisheiten wurde nicht gegeizt: „Wer mit einem Schweden um die Wette saufen will, sollte mindestens ein Finne oder Russe sein.“
Die offene Spielweise von Heinichen und Gööck verlieh dem Stück einen besonderen Charme und eine Direktheit, die das Publikum gefangennahm. Zwei Stunden Theater vergingen wie im Flug. Einen tollen Schlusspunkt setzten die beiden – nun als Musiker – mit dem Neue-Deutsche-Welle-Song aus den 80ern „Polizisten“.
Zur Eröffnung des Theatriums Steinau hatten Kreisbeigeordneter Matthias Zach, Steinaus Bürgermeister Malte Jörg Uffeln und Wolf-Dieter Gööck zu den Gästen gesprochen. Zach sagte in Anspielung auf das Theaterstück: „Das Buch zeigt, für einen Neuanfang braucht es Mut. Manchmal braucht es auch nur einen Schritt aus dem Fenster heraus.“ Er hatte einen „kleinen Scheck“ dabei, den er den neuen Betreibern überreichte.
Malte Jörg Uffeln erinnerte noch einmal an den Weg bis zur Eröffnung des Theatriums und lobte die ortsansässigen Firmen Bueti, Börner und Wohnvision sowie den städtischen Bauhof für die „großartige Arbeit“.
Wolf-Dieter Gööck war über den Augenblick der Eröffnung „sehr erfreut und gerührt“. Er sprach auch im Namen seiner beiden Kollegen Ella Späte und Detlef Heinichen, als er beteuerte: „Wir sind in Steinau von sehr aufgeschlossenen und neugierigen Menschen sehr freundlich begrüßt worden.“ Der Applaus des Publikums begleitete seine Worte an Lilo Magersuppe, die mit ihrer Familie das Theater viele Jahre geführt hatte: „Liebe Lilo, wir haben hohe Achtung davor, dass du heute Abend zu uns gekommen bist.“
Für die musikalische Umrahmung der Eröffnung sorgten die Royal Voicings.