„Wir müssen heute die Weichen stellen“

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Die Globalisierung beschere viele Vorteile, aber nicht für die, die tagtäglich dafür schufteten. In den nächsten drei Jahren würden weltweit durch den Abschluss zahlreicher Handelsabkommen die Weichen gestellt. Und im kommenden Jahr stehe mit der Europa-Wahl „das Friedensprojekt EU“ angesichts der Bedrohung durch nationale Bewegungen auf dem Prüfstand.
Dr. Sascha Raabe referierte auf Einladung der Europa-Union Schlüchtern-Gelnhausen im Gasthaus Zum Eckebäcker in Schlüchtern über „Europas Verantwortung in der Welt – vom freien zum fairen Handel“. Von Thomas Otto Schneider, dem Vorsitzenden der Europa-Union, als „Spezialist für vernetztes Denken“ begrüßt, verdeutlichte der ehemalige Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Verantwortung Europas gerade gegenüber Afrika. „Die Welt hat zugeschaut, und die Industrienationen haben ihre finanziellen Versprechen nicht gehalten und unfairen Handel betrieben. Das hat das Elend in Afrika erst beschleunigt. Als in den Flüchtlingslagern die Mittel immer weniger wurden, hat das zu der großen Flüchtlingsbewegung geführt“, stellte Raabe fest.
Die Bevölkerung Afrikas werde sich bis 2050 verdoppeln. Um neue Fluchtwellen zu verhindern, müssten deshalb die Menschen dort befähigt, müsse ihnen Raum zur Entwicklung gegeben, müssten Perspektiven geschaffen werden. „Wir müssen heute durch faire Handelsbedingungen und Hilfe zur Selbsthilfe die Weichen stellen, damit die Menschen in Afrika eine lebenswerte Umgebung haben“, sagte Raabe.
Der ehemalige Bürgermeister von Rodenbach forderte größere Mitspracherechte für das EU-Parlament bei Handelsabkommen. „Abkommen und Regelungen helfen, anständige Unternehmen zu belohnen und den unanständigen Ausbeutern das Leben schwerer zu machen“, sagte Raabe. Profitieren würden davon die Angestellten durch bessere Löhne und faire Arbeitsbedingungen. Ein großes Problem sei die starke Verflechtung von Potentaten und internationalen Konzernen in vielen afrikanischen Staaten. Ein Streichen der Entwicklungshilfe sei in den meisten Fällen keine Lösung. Vielmehr sei ein mögliches Ende der zollfreien Präferenz in die EU das beste Druckmittel.
Fairer statt freier Handel sei das Wichtigste in einer global vernetzten Welt. Es könne nicht sein, dass eine Banane für den Import in die EU eine bestimmte Länge und Dicke haben müsse, es aber egal sei, ob die Pflücker bei der Ernte mit Pestiziden besprüht würden. Raabe erneuerte seine Forderung nach der Aufnahme der so genannten ILO-Kernarbeitsnormen – qualitativen Sozialstandards wie gerechten Löhnen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und den Verzicht auf Kinderarbeit – in allen Handelsabkommen. Nur so könne verhindert werden, dass die Karawane der Industrie auf der Suche nach billigen Arbeitskräften und geringen Umweltschutzauflagen immer weiter ziehe. Profitieren würden davon letztlich alle: Mehr Wohlstand in den ärmeren Ländern schaffe neue Nachfrage und sichere damit auch die Arbeitsplätze in der sehr stark exportorientierten Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis.